Ökonomie

ein Projekt zu Feminismus / Stadt / Neue Ökonomien

von Katja Reichard

Mit der Frage nach feministischen Positionierungen in der Diskussion um Stadtentwicklung/Stadtpolitik lag es im Rahmen des Projekts common spaces, common concerns nahe, sich zuerst die Geschichte des "weiblichen" Raumbegriffs und der feministischen Stadt-/Raumplanung seit den Anfängen der Frauenbewegung anzusehen. Ein bedeutendes Untersuchungsfeld feministischer Planerinnen waren die Auswirkungen fordistischer Raumplanung auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Frauen: Die mit dem Leitbild der funktionsgetrennten Stadt erwirkte Auslagerung des Bereichs "Wohnen" ins Grüne - Hochziehen von Großsiedlungen an der Peripherie, Ausbau der Verkehrswege, "Arbeiten" in der Stadt - bedeutete gleichfalls die Auslagerung des Bereichs "Reproduktion", also dem gesellschaftlich großteils an Frauen delegierten Arbeitsplatz "Kindererziehung und Hausarbeit" und damit die soziale Isolierung und die Unsichtbarmachung dieser Arbeit. Der Radius der Hausarbeiterin bleibt auf Wohnung und Wohnumfeld, auf die private Sphäre, beschränkt, während der "Ernährer" zwischen öffentlicher und privater Sphäre pendelt. Gegen diese räumliche Organisation der Geschlechterdifferenz in der arbeitsteiligen und institutionellen Trennung von "privat" und "öffentlich" reagierte die Frauenbewegung mit Forderungen wie "das Private ist politisch" oder nach Entlohnung der Reproduktionsarbeit (heute immer noch politisch ein blinder Fleck - egal, wie fortschrittlich und gleichberechtigungsbewußt das jeweilige soziale Milieu ist: die Hausarbeit wird weitestgehend Frauen zugeschrieben.)

Feministische Stadt- und Raumplanung orientiert sich demzufolge an der Verbesserung von Wohnen und Wohnumfeld, den städtischen Einzugsbereichen von Frauen, Forderung nach frauenorientiertem Wohnungsbau, emanzipativen Wohnungsgrundrissen (also z.B. die Einbeziehung eines eigenen Zimmers für die Frau, Integration von Küche und Wohnbereich - was manchmal in Küchenwissenschaften ausartet) und frauengerechter Gestaltung des öffentlichen Raums, sowie Partizipation von Bewohnerinnen an den Planungsprozessen. Städtebauliches Leitbild ist das Modell der Nutzungsmischung, Wohnen und Arbeiten im gleichen Quartier, als planerische Antwort auf geschlechtsspezifische Segregation. Daß sich dieser Entwurf aber auch deckt mit Mainstream-Urbanisierungsmodellen ("Revitalisierung innerstädtischer Bezirke"), die damit nur spezifische (also besserverdienende) Bewohnerschichten und Nutzungen meinen, wird oft ausgeblendet.

In der Erforschung und Interpretation der Bedürfnisse von Frauen, im Herausreißen aus der zuvor privaten Sphäre und im Einbringen in die öffentliche, gesellschaftliche Sphäre, liegt politisches Konfliktpotential. Das Eindringen von Feministinnen in die rein männlich dominierten Architektur- und Planungsdomänen, die Forderung nach Berücksichtigung frauenpolitischer Inhalte in der Planungspraxis, die Betonung der Wichtigkeit einer Orientierung auf den Reproduktionsbereich sind erfolgreiche Strategien im politischen Kampf um Bedeutung.

Der Entwurf eines universellen Planungssubjekts "Frau" orientiert sich meist nur entlang der Geschlechterdifferenz, Fragen der Klasse und Ethnizität werden vernachlässigt. Nicht jede Frau hat den Status einer Staatsbürgerin, ist Mutter oder verfügt über die notwendigen ökonomischen und sozialen Ressourcen, um z.B. allein zu erziehen und gleichzeitig im Selbstausbau ein fortschrittliches Frauenwohnprojekt mitzuentwickeln und Genossenschafterin zu sein (in dem Falle wird Emanzipation zur Kostenfrage) oder an Planungsprozessen zu partizipieren, was in hohem Maße soziale Kompetenzen und Zeit erfordert.

Identitätspolitische Zuschreibungen im Planerinnendiskurs gehen oft von der Vorstellung aus, Frauen seien die humanistisch überlegenen Planerinnen, die in der Stadt als vergrößertem Haushalt immer auch die Familie mitdenken. Oder betonen die sozialen Kompetenzen der Nutzerinnen, dem unbeachteten Potential in den Wohnquartieren, wo gerade die weiblichen Kommunikations- und Kooperationsfähigkeiten integrativ und auch kontrollierend wirken können. Oder verweisen auf das quasi-natürliche Interesse von Frauen an nachhaltiger Stadtentwicklung und ökologischen Konzepten - gleichzeitig ein dickes Paket an Modernisierungsargumenten.

Die weitreichende Anerkennung und Einbeziehung frauenpolitischer Inhalte auf kommunalpolitischer Ebene sowie Institutionalisierung und Professionalisierung räumt feministischen Planerinnen und Architektinnen inzwischen auch schon mal das Privileg ein, als Delegierte des deutschen Nationalkomitees für die Habitat'96 (UN-Konferenz zu Siedlungswesen) nach Istanbul zu fahren, um dort in der Ausstellung der Bundesregierung im Rahmen des Best Practices Wettbewerbs mittelständische Frauenwohnprojekte zu präsentieren. Das entpolitisierte Etikett "gender-sensitive planning" erhöht in diesem Kontext im besten Falle die Absatzchancen. Das Konjunktur von Gender-Themen auf der Habitat darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß Gender à la Weltbank weitgehend als Kategorie zur Ressourcenoptimierung und Effizienzsteigerung im Rahmen neo-liberaler Wirtschaftspolitik konzipiert ist.

In einem Klima internationalen Leistungsvergleichs können dann auch schon mal abfällige Bemerkungen über die Durchsetzungs- und Artikulationsfähigkeiten der G77-Frauen (die, die nicht zu den führenden Industrienationen gehören) fallen. Und in der Frauenrunde "international women caucus" bilden sich die hierarchischen Verhältnisse zwischen "Geber-" und "Nehmer"-ländern habituell ab. (wir schaun mal, ob wir bei Herrn Töpfer was für Euch rausschlagen können...) Die vielen Verhaftungen von KurdInnen in Istanbul beeinträchtigten die friedliche Kirchentags-NGO-Atmosphäre zwischenzeitlich, aber "da brauchen sich die Feministinnen ja nicht auch noch drum kümmern"...

..."gebaute Gewalt gegen Frauen: Gewalt besonders begünstigende Orte sind z.B. Räume ohne Sicht- und Rufkontakt, die kaum Orientierungsmöglichkeiten bieten, aber auch überdimensionierte Straßen, menschenleere, dunkle Unterführungen"- Städtischer Raum wird zum reinen "Angst-raum" für Frauen deklariert, Frauen zu "Subjekten der Angst", und ihnen damit ein Opfer-Status zugeschrieben. Daß 90% aller Gewalttaten gegen Frauen weiterhin im Haus, innerhalb der familiären Strukturen, stattfinden, bleibt in diesem Diskurs unsichtbar.

Im Zusammenhang mit dem Opfer Frau wird oft das Opfer Kind mitgedacht: Kinder werden zur kollektiven Folie, stilisiert zu dem gesellschaftlich und volkswirtschaftlich sanktionierten Gemeinschaftsgut, das gegen die in allen städtischen Winkeln lauernde Gefahr verteidigt werden muß (Schulweg / Bahnunterführung / Spritzen). Das Argument "Mehr Sicherheit für unsere Kinder" vereint dann die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Positionen von sorgenden Müttern bis zu konservativen Aktivbürgerinitiativen, um im politisch aufgeheizten Sicherheits- und Kontrolldiskurs schärfere staatliche Interventions- und Repressionsmaßnahmen zu fordern. (Weitere Instrumentalisierungen von Kindern für die Forderung nach drakonischen Maßnahmen - z.B. Todesstrafe - bestimmen die aktuelle Berichterstattung) Die Opferkonstruktion lenkt den Diskurs um auf den Entwurf von allgegenwärtigen Bedrohungsszenarien und die oft ethnifizierende Markierung gefährlicher sozialer Gruppen und verunmöglicht eine breitere Diskussion um staatliche und privatwirtschaftliche Regulierungsinteressen in Feldern wie Drogenpolitik, Sozialpolitik, Stadtentwicklung. Dadurch bleibt es bei Symptombekämpfungen und baulichen Interventionen, strukturelle Widersprüche werden nicht in Frage gestellt.

Ein leuchtendes Beispiel einer solchen Intervention ist die Rodung und Beleuchtung eines Parks in Düsseldorf aus Gründen der Sicherheit für Frauen, wodurch gleichzeitig ein Aufenthaltsort für DrogenbenutzerInnen und ein Cruising-Bereich zerstört wurde. Und - Jeder halbwegs clevere Investor begrüßt den Schutz von Frauen mit offenen Armen, um die verschiedenen Sicherheits- und Wachschutzkonzepte für seine Immobilie gesellschaftlich akzeptabel zu machen. Die vereinheitlichende Funktionalisierung von Frauen als "Schutzbedürftige" vernachlässigt die Tatsache, daß z.B. obdachlose Frauen, Drogenuserinnen, Migrantinnen, Wagenburgbewohnerinnen auch zur Zielscheibe von Säuberungs- und Kontrollmaßnahmen werden.

...Die Annahme, daß Frauen allgemein von den ökonomischen Restrukturierungen im Postfordismus profitiert haben, muß nach unten korrigiert werden: Die damit verbundenen steigenden Frauenerwerbsarbeitsquoten sowie mehr Wahlmöglichkeiten durch das Entstehen neuer Haushaltsstrukturen und liberalisierter Familienmodelle bedeuten in der Realität eine Reihe von keineswegs als emanzipatorische Erfolge zu wertenden Feminisierungen: Feminisierung der Armut, Feminisierung der Arbeit...

Die Liberalisierung der Familienstrukturen und die Infragestellung der Geschlechterrollen bezeichnet eher eine defensive Strategie, vor allem in Arbeiterklassehaushalten, wo der Mann nicht mehr der alleinige Familienernährer ist, sondern die Frau dazuverdient, um bei sinkenden Löhnen nicht unter die Armutsgrenze zu fallen - und beide sich die Schichten möglichst so legen, daß rund um die Uhr einer bei den Kindern ist. Und der immer größer werdende Anteil alleinerziehender Frauen, die Lohnarbeit und Reproduktionsarbeit gleichzeitig leisten müssen, rutscht meist auf die unterste Stufe der gesellschaftlichen Skala. Frauen mit dem inzwischen sozial akzeptablen Status der Alleinerziehenden stellen weltweit inzwischen den größten Anteil der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze.

Der statistische Anstieg der Frauenerwerbstätigkeit ist vorrangig auf den Strukturwandel (Stichwort Tertiarisierung) zurückzuführen. Im Zuge der Entwicklung von Dienstleistungsgesellschaften expandiert derjenige Bereich, der für Frauenbeschäftigung traditionell am wichtigsten ist, am stärksten - bei gleichbleibend niedriger Stellung in den Hierarchien und niedrigeren Löhnen. Weiterhin besteht auch in der industriellen Massenproduktion Nachfrage nach niedrigqualifizierten Tätigkeiten, die mit geschlechtsspezifisch zugeschriebenen Eigenschaften verbunden sind, wie Geschicklichkeit, Routine, Geduld. Weitere geschlechtsspezifische Attraktivität liegt in der Flexibilität durch Teilzeitarbeit: Frauen sind häufiger gezwungen, sich auf wechselnde und instabile Arbeitsplätze einzulassen.

Die geschlechtsspezifische Segregation der Arbeitsmärkte verhilft nur zum quantitativen Ausbau der Arbeitsmarktposition, nicht zur qualitativen Verbesserung. Der Restrukturierungsprozeß liefert Frauen neben einigen wenigen Jobs im hochqualifizierten Bereich vor allem Arbeitsverhältnisse am unteren Ende der bestehenden Hierarchien.

Von einem boomenden Frauenarbeitsmarkt kann nur in Zusammenhang mit der Zunahme von Dienstleistungen in marginalisierten Beschäftigungsverhältnissen gesprochen werden: Der informelle Sektor mit seinen peripheren bis illegalen, arbeits- und vertragsrechtlich kaum bis gar nicht geschützten Arbeitsverhältnissen wächst an und produziert damit ein großes Feld, das aus der öffentlichen Sichtbarkeit herausfällt. Frauen und MigrantInnen sind hier die unsichtbare Verschiebemasse, versteckte niedrigbezahlte Arbeitskräfte. "Pink Ghetto" werden diese Formen unsichtbarer und minderwertiger Frauenarbeit genannt.

Ebenso unsichtbar ist der Sektor der unbezahlten Arbeit im Bereich der Reproduktion, an den immer mehr Aufgaben delegiert werden, die vormals von staatlicher Seite getragen wurden - Versorgung, Pflege von Verwandten, Soziale Dienste etc. - Hier deckt sich der konservative Wunsch nach Revitalisierung der Familienstrukturen mit dem Angebot an Frauen, den Staat zu subventionieren.

Die Rede von der Dienstleistungsmetropole Berlin unterläßt den Blick auf die unteren Kapitalkreisläufe und die "anderen", unsichtbaren Jobs - zum Beispiel die Putzkolonnen, die nachts ihre Runden durch die Büroetagen ziehen. Die Arbeit in der Reinigungsindustrie und in privaten Haushalten ist oft die einzige Erwerbsmöglichkeit von Migrantinnen - sehr niedrige Löhne, Schwerst- und Akkordarbeit in der Reinigungsindustrie, persönliche Abhängigkeit und Unsicherheit in privaten Haushalten, kein gesellschaftliches Ansehen und ein rechtlicher Status von geringfügiger Beschäftigung ohne Sozialversicherung bis zur Illegalität. Diese deregulierten peripheren "Freihandelszonen" im Arbeitsmarkt sind konstituierend für die städtische Ökonomie.

Sozial konstruierte Merkmale wie Geschlecht, Herkunft, Alter, Ethnizität und Staatsangehörigkeit etc entscheiden maßgeblich über der Zugang zum und die Plazierung auf dem Arbeitsmarkt. Im modernen Leistungsstaat gewinnen sie als Hebel der Positionierung im sozialen Raum wachsende Bedeutung. Diese Mechanismen sozialer Ungleichheit führen zu neuen Differenzierungsschüben gerade auch unter Frauen. Von "Frauen" als homogener sozialer Gruppe mit gemeinsamen Interessen kann also immer weniger gesprochen werden.

Einige Frauen haben von den Umbrüchen profitiert. Karriereorientierung und hohe berufliche Qualifikation haben den Zugang zu hochdotierten Positionen in ehemaligen Männerdomänen ermöglicht. Was für die einen die Möglichkeit der Befreiung von Mehrfachbelastungen (Hausarbeit/Kindererziehung/Beruf) und alten Rollenbildern ist, ist für die anderen (vor allem Migrantinnen) Ausbeutung durch niedrigbezahlte Reproduktionsarbeit in Privathaushalten. An der Zuschreibung von Reproduktionsarbeit an Frauen hat sich somit nichts geändert. (in Berlin sind ironischerweise an diesen Arbeitsplätzen nicht selten polnische Akademikerinnen anzutreffen - um diese Jobs jedoch wieder unter national-staatliche Kontrolle zu bekommen, wird an einem Entwurf für die Steuerfreistellung von "Dienstmädchen" gearbeitet). In diesem Kontext gewinnt auch die verschärfte Konkurrenz um innerstädtischen Wohnraum an Bedeutung - wenn diese gutverdienenden Frauen mit ebenfalls berufstätigen PartnerInnen zusammenwohnen, entstehen Haushalte mit einem enormen finanziellen Potential und hohem sozialen Status, die ihren Lebens- und Arbeitsbedingungen entsprechend die zentralen Innenstadtbereiche als Wohnlage bevorzugen. Dieses Klassenargument ist insofern jedoch problematisch, als es im Sinne eines Plädoyers für konservative Familienpolitik mißverstanden werden könnte und Frauen denunziert, die sich z.B. gegen Kindererziehung entscheiden.

Der städtische Raum ist Produkt der kapitalistischen Modernisierung sowie Produzent sozialer Verhältnisse. Die Umformatierung der Stadt nach unternehmerischen Prinzipien beinhaltet neben der ökonomischen und baulichen Umstrukturierung auch soziale Strategien des Umbaus. Neue Subjekte werden entworfen - in Berlin zum Beispiel im Rahmen des "Masterplans": der "Stadtbürger" - professionell, konsumorientiert, (dienst)leistungsbereit, mit urbanem Bewußtsein, zukunftsorientiert, Staatsbürger - grob orientiert an Mittelklasse-Normen. Im Wissen um die Produktivität weicher Standortfaktoren wird von staatlicher und privatwirtschaftlicher Seite aus in Imagekampagnen investiert und in die Herstellung urbaner Lebensqualität unter anderem durch Veredelung und Absicherung der innerstädtischen Quartiere. Die Privatisierung des öffentlichen Raums gilt als wirkungsvollstes Instrument, um vor allem in den innerstädtischen Bereichen den Raum zu homogenisieren und wirtschaftlich produktiv zu machen. Durch die Einrichtung von Konsum- und Dienstleistungszonen wird versucht, den zentralen städtischen Raum zu hierarchisieren und die Zugangsberechtigungen zu reglementieren. Wer nicht über individuelle Kaufkraft verfügt oder sich aus anderen als Konsumgründen an bestimmten Orten aufhält, wird als geschäftsschädigend, als Teil einer nicht qualifizierten Öffentlichkeit und als Gefahr für die städtische Gesellschaft des Platzes verwiesen. Diese Konstruktion eines "Anderen" (und Markierung als Gruppe) ermöglicht die Grenzziehung zu denjenigen, die sozial erwünscht sind. Die Durchsetzung von Normen und räumliche und soziale Kontrolle ersetzen die Verhandlung über sozialpolitische Fragestellungen.

Mit der Absage an wohlfahrtsstaatliche Solidaritäten und sozialen Ausgleich wird die wachsende Armut eher als Gefahrenquelle oder als ästhetisches Problem angesehen und mit ordnungs- und sicherheitspolitischen Mitteln bekämpft. Ein Geflecht aus sozialen, rechtlichen, ökonomischen und symbolischen Normierungen und Raumordnungen entscheidet über Ein- und Ausschluß, über Repräsentation oder Unsichtbarkeit, über "Zugehörigkeit" zum Zentrum oder zur Peripherie.

Beispiel: Die marginalisierende Rede von den sogenannten A-Gruppen ( Arme, Arbeitslose, AusländerInnen, Alte, Alleinerziehende usw.), die eine "gesunde" soziale Mischung eines Viertels gefährden, wenn ein bestimmter Prozentsatz überschritten wird, und es zum "Umkippen" bringen, hat u.a. die sozialplanerische Forderung nach Zuzugsstops bzw. Nationalitätenquoten zur Folge. Vor allem Plattenbau-Großsiedlungen sind ins Visier dieses stigmatisierenden Diskurses gekommen, der mit Ghetto-Visionen und Explosionsgefahr hantiert.

Mit der Annahme, daß Raum sozial hergestellt wird, über Strategien der Zuschreibung, Markierung, Konstruktion von Subjekten, und damit gleichzeitig das Soziale produziert, neue Bedeutungen hervorbringt und festschreibt, stellt sich die Frage nach den Möglichkeiten eines - individuellen oder kollektiven - Widerstands gegen diese hegemonialen Wirkungsweisen. Für einen Kampf um die Definitionsmacht über den sozialen Raum und den Zutritt in die öffentliche Sphäre und der (für einige lebenswichtige) Zugang zur Ressource öffentlicher Raum gibt es wahrscheinlich nur eine Mixtur aus unterschiedlichsten Strategien und Taktiken. Wie kann die Bedeutung von Räumen transformiert werden, die sozialen Gruppen zugewiesen werden und deren sozialen Status immer wieder auch reproduzieren? Wie lassen sich Identitätszuschreibungen bekämpfen, zurückschicken, aktiv gegeneinander ausspielen, welche Taktiken im Gebrauch von Räumen können neue Zugangsmöglichkeiten eröffnen, wie lassen sich Raumzuweisungen unterlaufen und Alternativen artikulieren?

Wie können feministische Forderungen in Stadtdiskurs und -politik eingeschleust werden, ohne in die Fallen essentialistischer Subjektproduktionen zu treten? Wie können Bedürfnisse artikuliert und politisch wirksam gemacht werden, ohne daß sie in Definitionen umschlagen und institutionalisiert werden? In dem Moment, wo Definitionsmacht und politische Handlungsmöglichkeit partiell erreicht wird, kann ein Apparat entstehen, der selbst Zuschreibungen (von Bedürfnissen, Kompetenzen, Funktionen, authentischen Erfahrungen...). Universalisierungen und Auslassungen produziert und einen normativen, definitorischen Charakter annimmt.

Im Zuge der Herstellung von Identitätsbildern, die über gewünschte oder unerwünschte Repräsentanz entscheiden, und damit über Inklusion in eine Gemeinschaft oder Exklusion, gerät Identität zur Gewaltfrage.
Wie lassen sich Handlungsbegriffe entwerfen, die auf einem Handlungsanspruch gegenüber repressiven Strukturen und dominanten Gesellschaftsformationen bestehen, und wie, mit dem Bewußtsein um Heterogenität und Kontingenz von Subjektpositionen, trotzdem kollektive Strukturen bilden?

Und wann ist es notwendig, Allianzen verschiedener Identitäten vorübergehend zu vermeiden, um aus hegemonialen Subjektzuschreibungen auszubrechen und Prozesse der Selbstartikulation von Bedeutung erst entstehen zu lassen?

Was kann "Raum-greifen" in einer Zeit bedeuten, in der die von der Frauenbewegung erkämpften institutionellen und räumlichen Zugangsmöglichkeiten und die autonomen "Freiräume" weggespart werden?
Wie lassen sich verschiedene Handlungsformen entwickeln, im symbolischen Feld wie auch in der politischen, öffentlichen Sphäre?

common spaces common concerns wurde konzipiert in regelmäßigen Arbeitstreffen von Frauen aus verschiedenen Theorie- und Praxisfeldern (Kunst, Kunstwissenschaft, Gender-Theorie, Architektur, außerinstitutionelle politische Praxis). Die -vorläufige- Struktur des kleinen i ergab sich einerseits aus positiven Erfahrungen aus vorangegangenen Projekten, Gesprächshierarchien betreffend, sowie aus dem Interesse an frauenpolitischen Themenschwerpunkten - was allerdings nicht heißt, daß sich "common sense" und Konsens automatisch herstellen. Vielleicht kann gerade eine fragmentarische Struktur größere Selbstartikulation der Einzelnen ermöglichen. cs?cc birgt schon im Mikrobereich alle Schwierigkeiten der Fragestellungen nach Perspektiven politischer Artikulation und Grundlagen "gemeinsamen" Handelns - Einen Ort schaffen wollen, der Kontinuität gewährleistet, außerhalb institutioneller Bindungen theoretische Diskussion mit Praxis verbinden, Vernetzungswünsche trotz des Wissens um personelle Fluktuation und Mehrfachbelastungen, Diskussionshorizonte offenhalten und produktiv machen trotz unterschiedlicher Arbeitsfelder und Diskursmächtigkeiten?

Veranstaltungen bisher
(Oktober/November 96):
€ Arbeitskreis mit Ursula Biemann vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen in den Austellungen "Aussendienst" und "Kültür - ein Gender-Projekt aus Istanbul" (Shedhalle Zürich 1995/96) über die "postkoloniale" Diskussion in kunstinstitutioneller Praxis. Dias, Videos, Diskussionen über Darstellungsstrategien.

€ 'Backlash' Vorträge / Diskussion zu aktuellen Frauenausstellungen: "Keusch wie ein Kinderherz - Lesarten der Ausstellung Leiblicher Logos und nationaler Repräsentation" von Birgit Effinger / Annette Grund / Mareike Hybisier / Irmgard Müsch / Wiebke Ratzeburg, Über Frauenausstellungen" von Isabelle Graw

€ "Women's Studies" Arbeitskreis mit Isabelle Graw und Studentinnen aus München, Wien und Berlin

€ "Glanz der Metropole..." - Lateinamerikanische Migrantinnen im Dienstleistungssektor

Julia Paz von Xochicuicatl e.V., dem Lateinamerikanischen Frauenverein, berichtet. Anschließend Planung gemeinsamer Aktivitäten zum 25. November - Vorbereitung einer Plakataktion

€ Revisiting East Village... Aus aktuellem Anlaß veranstalten Stefan Dillemuth und Josef Strau noch einmal eine "Tour" durch das Material ihrer Show 1993

€ Site Specificy - Der öffentliche Raum als Legitimation künstlerischer Praxis seit den 70er Jahren Arbeitskreis mit Andreas Siekmann und Josef Strau

€ Bites-Architekturen - Metaphern virtueller Räume - Vortrag von Renée Schauecker / Sarah Kohrt, Redakteurinnen der Zeitschrift Blau

€ 25. 11. Internationaler Tag gegen Gewalt gegen Frauen

Brasilien < > Berlin < > Polen - Feministische Strategien zur Migration von Frauen

Podiumsdiskussion mit Cecy Prestello vom Colletivo Mulher Vida über Heiratsmigration brasilianischer Frauen, Sigrun Katins von Ban Ying, Koordinationsstelle für Migrantinnen aus Südostasien in Berlin, Barbara Eritt über Arbeitsbedingungen und Migrationsgründe von polnischen Frauen in Berlin

€Dokumentation des Ausstellungsprojekts Sex&Space in Zürich

Projektkonzeption: Anke Kempkes, Katja Reichard


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