home news economies landscapes, leisure and tourism cultural practices images sites editions texts identities index contact
back exhibition
SwissMiniNature / Route Agricole
Themenausstellung im Rahmen von Expo.02
In Zusammenarbeit mit Daniel Guntli, Peter Moser, Marion von Osten, Michael Zinganel, Rayelle Niemann und
Produktionsteam
15.5. - 20.10.2002

Weitere Informationen zum Projekt:
-
Gut gibt's die Schweizer Bauern - Vom Verschwinden der realen Landwirtschaft aus dem kulturellen Bewusstsein (zu den inhaltlichen Ansätzen der Ausstellung)
-
Überlegungen zur Konzeption und Realisation der Ausstellung (zu den methodischen Ansätzen)
-
Die Bauern waren an der Expo.02. Waren sie auch ein Thema? (kritische Analyse des Medienechos)

Die Route Agricole erzählt von der Industrialisierung der Ernährung und den Auswirkungen dieser Entwicklung auf die bäuerliche Landwirtschaft. Am Anfang der Strasse steht der 24 h – Shop, Symbol für die Erwartung der Gesellschaft, rund um die Uhr jedes erdenkliche Nahrungsmittel kaufen zu können. Auf der einen Seite der Strasse stehen Lastwagenbrücken im Stau. Die Ausstellung in den neun begehbaren Wagen zeigt eine Analyse der Landwirtschaft in ungewohnter Inszenierung. Die Parade landwirtschaftlicher Fahrzeuge auf der anderen Strassenseite illustriert die unterschiedlichen Funktionen der heutigen Landwirtschaft.
Am Beispiel der Landwirtschaft werden zentrale Merkmale der modernen Gesellschaft aufgezeigt.
Die allen bekannten Themen Natur, Konsum, (Agrar-)Politik und Ressourcen werden so weit differenziert und interpretiert, dass Fragen zur eigenen Rolle und den Möglichkeiten, selbst gestaltend einzugreifen, auftauchen. An Symposien in der Zukunftswerkstatt werden diese Fragen diskutiert. Die Perspektive der Ausstellung ist diejenige der KonsumentInnen, die aber auch als BürgerInnen angesprochen sind, die politische Verantwortung für die moderne Landwirtschaft tragen. So werden auf der Route Agricole klischeehafte Vorstellungen über die bäuerliche Landwirtschaft in ein Verständnis der Funktion und des Funktionierens des Agrarsektors in einer Industriegesellschaft verwandelt.


Wagen 1: Naturvorstellungen

Natur ist in erster Linie das, was wir uns darunter vorstellen. Die Bilder, die wir uns von der Natur machen, verändern sich ständig. Heute wird in der Regel das andere , das, was am Rande der menschlichen Kultur sichtbar wird, als Natur wahrgenommen. Je fremder ein Phänomen erscheint, umso natürlicher kommt es uns vor – allerdings nur solange es dank der Technik beherrschbar bleibt.
So betrachtet geraten die Bauern und Bäuerinnen, die weitgehend erneuerbare Ressourcen, unweigerlich in Konflikt mit "der" Natur. Und zwar unabhängig davon, ob sie konventionell oder biologisch wirtschaften. Deshalb herrscht heute in nichtbäuerlichen Kreisen stillschweigendes Einverständnis darüber, dass ein Rückgang der landwirtschaftlichen Fläche zu mehr Natur führt. Luchse sind momentan auch populärer als Bauern.


Wagen 2: Vom Umgang mit der Natur – Schweizer Landschaft

Im Rahmen komplizierter Nutzungsordnungen entstanden bis weit ins 20. Jahrhundert Kulturlandschaften. Ihre Vielfalt ergab sich aus der intensiven Nutzung des Bodens zur Nahrungsmittelproduktion für die lokale Bevölkerung. Diese Kulturlandschaften werden bis heute als ästhetisch schöne Naturlandschaften wahrgenommen.
Seit dem Zweiten Weltkrieg sind viele dieser Landschaften durch Agglomerationsbildung und neue landwirtschaftliche Produktionsmethoden bedroht. Denn unter dem Konkurrenzdruck der Ernährungsindustrie musste die bäuerliche Landwirtschaft ihre vielfältigen Produktionsweisen so weit wie möglich vereinheitlichen. Diese Landschaftszerstörung versucht der Staat im landwirtschaftlichen Bereich mit Einschränkungen aufzuhalten. Doch mit Schutzzonen als Kompensation für das Wuchern der Agglomeration kann diese Art der Landschaftsentwicklung nur verlangsamt werden. Neue, abwechslungsreiche Kulturlandschaften entstehen dadurch keine.


Wagen 3: Konsum / Lifestyle

In der Zwischenkriegszeit standen noch die Bauern und Bäuerinnen im Vordergrund der Werbung für Milch. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden das Nahrungsmittel selbst und die Hausfrau ins Bild gerückt. Seit den 1980er Jahren verschwinden das Produkt wie auch seine Zubereitung aus dem Blickfeld. Die Distanz zwischen Herstellung und Konsum ist immer grösser geworden, das Wissen um die Produktionsbedingungen und die Folgen der Produktionsmethoden hingegen immer kleiner.
Der Ernährungsindustrie ist es gelungen, das Essen so mit Glücks- und Heilserwartungen zu verbinden, dass der Konsum von Nahrungsmitteln immer mehr zur Definition des eigenen gesellschaftlichen Status dient. So werden die KonsumentInnen trotz des Mottos "der Kunde ist König" auf ihre Funktion als VerbraucherInnen beschränkt.


Wagen 4: Handel Global

Durch die Regelung des Handels auf internationaler Ebene verloren die Staaten viel an Einfluss auf die Gestaltung der Produktion und des Konsums von Nahrungsmitteln an Expertengremien. Im Ernährungsbereich wurden Aspekte der Gesundheit, Ernährungssicherung und Ökologie der Handelsperspektive – verkörpert durch die World Trade Organisation – untergeordnet. Was den Staaten bleibt, sind Kontroll- und Überwachungsaufgaben.
Auf die zunehmende Dominanz der Handelsperspektive reagieren KonsumentInnen und PorduzentInnen nicht nur mit international koordinierten Protesten gegen "das schlechte Essen". Eine ganze Reihe im Parlament eingereichter Vorstösse zeigt, dass die aus den Augen verlorenen Zusammenhänge im Ernährungsbereich erneut ins Bewusstsein geraten.


Wagen 5: Images

In der Öffentlichkeit bekannte Bilder von Bauern und Bäuerinnen sagen meistens mehr über diejenigen aus, die sie propagieren, als über die bäuerliche Bevölkerung selbst. Was "ein Bauer" ist oder sein sollte, definiert die Gesellschaft. Dabei ist die Dominanz der "Fremdbilder" so gross, dass auch die Bauern und ihre Verbände sie zur Selbstdarstellung verwenden.
Die Wirkung der durch Medien verbreiteten Bauernbilder ist oft so stark, dass sie neue "Realitäten" konstruieren.Die bis heute populäre Vorstellung von einer privilegierten Bauernschaft, die im "staatlichen Goldregen" auf Kosten der übrigen Bevölkerung ein "Parasitendasein" feiere, steht jedenfalls im krassen Gegensatz zur prekären materiellen Lage und dem arbeitsreichen Leben der meisten in der Landwirtschaft tätigen Menschen.


Wagen 6 und 7: Politik

Auch die schweizerische Agrarpolitik ist nicht primär das Ergebnis einer erfolgreichen Interessenvertretung der bäuerlichen Landwirtschaft. Ihre Folgen widerspiegeln eher die Fortschrittsvorstellungen einer Industriegesellschaft, die den Agrarsektor nach ihrer Logik umzugestalten versucht. Immer wieder wurde im Vorfeld von Landessausstellungen die Agrarpolitik neu gedacht und neu entworfen. 1939, vor dem Zweiten Weltkrieg stand die Suche nach der Ausnutzung sämtlicher Produktionsmöglichkeiten im Vordergrund, 1964, in der Hochkonjunktur lautete die Botschaft, die Landwirtschaft solle und könne wie die Industrie funktionieren.
Die Bauernverbände, die an diesen Expos die Landwirtschaftsausstellungen grossenteils gestalteten, stellten den Agrarsektor so dar, wie die Gesellschaft es erwartete. Allgemein führten die Verbände mehrheitlich den Auftrag der Behörden aus und trugen so ihren Teil zur Marginalisierung des Agrarsektors und zur Reduktion der bäuerlichen Bevölkerung auf eine Randgruppe bei. - Eine Politik, die an der eigenen Basis oft auch auf Widerstand stiess, wie ein Blick auf die Geschichte der bäuerlichen Proteste gegen Elemente der staatlichen Agrarpolitik zeigt.


Wagen 8: Development

Modernisierung hat viele Gesichter. So setzten sich im industriellen Bereich im 19. Jahrhundert auf Lohnarbeit basierende Grossbetriebedurch, die im Agrarsektor jedoch verschwanden und durch Familienbetriebe abgelöst wurden. Deshalb lassen sich Folgen der Modernisierung in der Landwirtschaft - aus einer Industrieperspektive betrachtet - auch als Phänomene der "Rückständigkeit" interpretieren. Die fehlende Differenzierung zwischen den beiden Sektoren hat viel zum heutigen Missverständis über den wahren Charakter der Landwirtschaft in der Industriegesellschaft beigetragen. Anhand der Darstellung konkreter Veränderungen menschlicher Tätigkeiten im Agrarsektor wird ein Verständnisfür das Funktionieren der Landwirtschaft geschaffen.


Wagen 9: Ressourcen - Potenziale - Grenzen

Der auf der Route Agricole immer wieder angesprochene Unterschied zwischen einer industriellen, auf dem einmaligen Verbrauch mineralischer und einer landwirtschaftlichen, auf der Nutzung erneuerbarer Ressourcen beruhenden Produktion wird hier noch einmal diskutiert. Denn erst die Kenntnisnahme der Folgen, die sich aus den eigenständigen Grundlagen der agrarischen und der industriellen Produktion ergeben, ermöglicht das Erkennen der die beiden Bereiche charakterisierenden Grenzen und Potenziale.


Die Parade der Landwirtschaftsfahrzeuge

Die Gefährte und Geräte auf der Route Agricole vermitteln einen Eindruck vom aktuellen Stand der Mechanisierung und Motorisierung der Landwirtschaft. Gleichzeitig macht sich eine allmähliche Veränderung der Funktion der Landwirtschaft bemerkbar: die Aufreihung der verschiedenen Fahrzeuge erzählt auch vom Übergang von der reinen Produktion zur Dienstleistung. Für Weideland und Ackerbau spezialisierte Maschinen stehen neben multifunktionalen Fahrzeugen, die bei der Landschafts- oder Sportanlagenpflege und im kommunalen Bereich zum Einsatz kommen.

Folgende Fahrzeuge sind Teil der Parade:
c Fendt Farmer 309 C-Allrad, mit Frontlader Stoll
c Futtermischwagen Trioliet Solomix
c John Deere Traktor 6420 mit John Deere Feldspritze Serie 6020
c John Deere Teleskoplader 3800
c John Deere Elektro Turf Gator
c Reform Multi 575 S mit Ladewagen
c Reform Metrac H6 mit Scheibenmähwerk
c Reform Mäher M9 mit Mähbalken
c Reform Mounty 65/80 mit Schlegelmäher / Mulcher
c New Holland TM 165 mit Vicon RF 130 Balepack Silage-Rundballenpresse
c


Zukunftswerkstatt

Die Zukunftswerkstatt verkörpert die Suche nach kreativen Antworten auf die problematischen Folgen der Industrialiserung der Ernährung. Hier werden nicht mehr die bestehenden Zustände analysiert, und dargestellt, sondern Modelle und Strategien entwickelt, die es den Konsumierenden und den Produzierenden erlauben werden, den Ernährungsbereich bedürfnisgerechter zu gestalten und weniger von der Industrielogik bestimmen zu lassen.
Im Vorfeld der Expo.02 haben eingeladene KonsumentInnen und ProduzentInnen in Workshops über die Zusammenhänge im Ernährungssektor diskutiert.
Die dabei entworfenen Lösungsansätze werden an drei Symposien im Forum vorgestellt, und zusammen mit BesucherInnen und bisher noch nicht direkt engagierten VertreterInnen aus den Bereichen Konsum, Produktion, Handel und Verarbeitung debattiert.
Die Diskussionen und Aktivitäten zur Verbesserung der Lage im Ernährungsalltag werden nach Abschluss der Expo.02 fortgeführt und in die Praxis umgesetzt.


Impressum

Künstlerische Leitung: Peter Spillmann
Inhaltliche Leitung: Peter Moser
Szenografie: Peter Spillmann, Marion von Osten, Michael Zinganel
Produktionsleitung: Rayelle Niemann
Grafik: Martin Balmer, Natalie Seiz
Infografik: Guido Köhler
Ausstattung: Doris Berger
Bauten: Daniel Blunschi, Holzwerkstatt Roger Martin
Modellbau: Furrer + Frey
Lichtgestaltung: matí Licht AV
Videoinstallation 24h-Shop: Marion von Osten
Videoproduktionen: Irene Ledermann,
Tonproduktionen: Marcus Maeder
Zukunftswerkstatt: Hans Bieri, Peter Moser
Textredaktion: Kristin T. Schnider
Übersetzung f/i: Trait d’union
Coaching Expo.02: Daniel Guntli, Nicolas Bonstein

Link:
> www.expoagricole.ch



















©psp 2002