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von Edith Glanzer, Verein
ZEBRA
Abhängigkeiten erster Teil: abhängig vom
Arbeitgeber:
Österreich hat, wie auch andere westeuropäische
Staaten sogenannte Gastarbeiter angeworben.
Anwerbebüros der Bundeswirtschaftskammer in Jugoslawien
und der Türkei versuchten in den 60er Jahren, das
Arbeitspotential für die boomende österreichische
Wirtschaft heranzuschaffen. Der Begriff Gastarbeiter ist in
diesem Zusammenhang sehr treffend, erwartete man doch von
ihnen, von den Gastarbeitern, daß sie, wie Gäste
eben, eine zeitlang bleiben, und schließlich wieder
zurückkehren. Auf diese Erwartungen wurden auch die
gesetzlichen Regelungen aufgebaut.
Österreich baut bis heute auf dem Rotationsprinzip auf,
d.h. erstens, daß man ältere durch jüngere
ArbeitnehmerInnen austauscht und die Arbeitslosigkeit
ausländischer ArbeitnehmerInnen in die
Heimatländer exportiert. Ein für die Wirtschaft
sehr rentables Prinzip. Um dieses Prinzip durchzusetzen,
wurden zwei Gesetze, nämlich das Fremdenpolizei- bzw.
Aufenthaltsgesetz und das
Ausländerbeschäftigungsgesetz miteinander
verknüpft und zwar in folgender einfachen Art und
Weise: Aufenthalt wird nur bei Erwerbstätigkeit
gewährt, der Verlust des Arbeitsplatzes führt
unmittelbar zum Verlust der Aufenthaltsgenehmigung. Denken
wir diese Bestimmung in einigen Punkten durch und
analysieren wir die Konsequenzen: 1) die Konsequenzen eines
Arbeitsplatzverlustes sind für AusländerInnen
wesentlich weitgehender: sie verlieren nicht nur ihr
Einkommen sondern auch ihr Aufenthaltsrecht, d.h. sie sind
gezwungen, sollte es nicht gelingen, sehr bald wieder eine
neue Stelle zu bekommen, in ihr Heimatland
zurückzukehren. 2) Daraus ergibt sich ein massiver
Druck auf ausländische Arbeitskräfte, so schnell
als möglich wieder Arbeit zu finden. Sie werden damit,
zynisch formuliert, mit einer besonderen Arbeitswilligkeit
ausgestattet. 3) Dieser Druck führt wiederum dazu,
daß ausländische Arbeitskräfte bereit sind,
ja bereit sein müssen, auch Jobs zu sehr schlechten
Arbeitsbedingungen anzunehmen. Wer keine Zeit hat zu
wählen, muß nehmen was da ist. 4) Schlechte
Arbeitsbedingungen, arbeitsrechtliche Verstöße
etc. müssen von ausländischen ArbeitnehmerInnen
hingenommen werden, da eine Kündigung, zumindest im
ersten Jahr der Beschäftigung ein zu hohes Risiko
bedeuten würde. Im ersten Jahr der Beschäftigung
wird das Abhängigkeitsverhältnis zum Arbeitgeber
noch dadurch verschärft, daß die
Arbeitsbewilligung an die Firma gebunden ist und ein Verlust
des Arbeitsplatzes auch zu einem Verlust der Bewilligung
führt. 5) Der Schluß der daraus zu ziehen ist
lautet: in Österreich gibt es drei Kategorien von
ArbeitnehmerInnen - Arbeiter, Angestellte und
ausländische ArbeitnehmerInnen. Ausländische
ArbeitnehmerInnen bilden ein eigenes Segment am
Arbeitsmarkt, da mittels Gesetz ihre Abhängigkeit von
den Unternehmen festgeschrieben wurde.
30 Jahre lang wurde diese Politik konsequent durchgesetzt,
eine Folge davon war unter anderem, daß das
österr. Sozialversicherungssystem kräftige Gewinne
damit abschöpfte, daß ausländische
Arbeitskräfte wesentlich mehr in die
Versicherungstöpfe einzahlten, als sie an Leistungen
daraus erhielten. Die letzte Novelle zum öst.
Fremdenrecht, das sogenannte Integrationspaket beinhaltet
erstmals ein erstes Abgehen von dieser Politik. Erstmals
wird die Aufenthaltsdauer berücksichtigt. Wer ab 1998 8
Jahre legalen Aufenthalt vorweisen kann, kann nunmehr nicht
mehr wegen Unterhaltslosigkeit z.B. durch Arbeitslosigkeit
des Landes verwiesen werden.
Abhängigkeiten 2.Teil - abhängig vom Ehemann:
Ausländische Frauen kommen in der Regel im Rahmen des
Familiennachzuges nach Österreich. Dies bedeutet,
daß ihr Aufenthaltsrecht unmittelbar an das
Aufenthaltsrecht des Familienerhalters, also des Ehegatten
geknüpft ist. Verliert der Mann seine Arbeit und in
Folge die Aufenthaltsberechtigung, so betrifft dies auch die
Ehefrau und die Kinder. Welche Möglichkeiten bestehen
nun für die Frau, ein Stück Unabhängigkeit zu
erlangen: Sie könnte durch eigene Erwerbstätigkeit
und eigenes Einkommen zu einem eigenen Aufenthaltsrecht
kommen. Dies ist ihr aber erst nach achtjährigem
Aufenthalt in Österreich gestattet. Acht Jahre lang
sind Familienangehörige und das trifft in der Regel
Frauen, vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Sie unterliegen
einem Arbeitsverbot. Die Ausschlußdauer von acht
Jahren ist im übrigen schon eine Besserstellung. Bis
1998 galt bzw. gilt ein unbefristetes Arbeitsverbot für
Familienangehörige.
Eine Scheidung in Österreich kann ihre Ausweisung
bedeuten: Ausländische Frauen, die ihren
Ehemännern nach Österreich nachfolgen, können
sich während der ersten vier Jahre ihrer Ehe in
Österreich nicht scheiden lassen. Die Konsequenzen sind
nämlich weitreichend. Eine Scheidung kann zur Folge
haben, daß gegen die Frau eine Ausweisung erlassen
wird, d.h. sie wird aufgefordert, Ö. innerhalb von zwei
Wochen zu verlassen. Erfolgt die Scheidung zwischen dem
vierten und achten Jahr des Aufenthaltes in Österreich,
droht ebenfalls die Ausweisung. Da die Frau aufgrund des
Arbeitsverbotes keine eigenen Unterhaltsmittel nachweisen
kann, wird sie die Voraussetzung für ein eigenes
Aufenthaltsrecht nicht vorweisen können. Es bleibt
wiederum die Ausweisung. Zusammengefaßt könnte
man sagen, daß zumindest in den ersten acht Jahren des
Aufenthaltes eine vollkommene Abhängigkeit der Frau von
ihrem Ehemann besteht. Er entscheidet letztendlich, ob und
wie lange ihr Aufenthalt in Österreich zu dauern
hat.
Unsere Beratungspraxis zeigt, daß Frauen, die in
diesem Abhängigkeitsverhältnis leben müssen,
häufig Opfer von physischer, psychischer und sexueller
Gewalt sind. Ausländische Frauen, die von Gewalt durch
ihre Ehemänner betroffen sind, stellen eine besonders
gefährdete Gruppe dar. Sie und ihre Kinder müssen
Gewalt oft jahrelang erdurlden, da ihnen die
Möglichkeiten zur eigenen Existenzsicherung fehlen. Sie
scheuen oft davor zurück, Schutz durch öffentliche
Einrichtungen zu suchen, weil sie befürchten
müssen, daß dadruch ihr Aufenthalt gefährdet
wird. Die Gesetze bestrafen in diesem Fall die Opfer und
nicht die Täter.
Oder anders ausgedrückt: Wer vor dem prügelnden
Ehemann flieht, rennt in die Arme der Fremdenpolizei.
Vollkommen doppelzüngig erscheint in diesem Lichte die
so häufig geführte Debatte über die
patriarchale und frauendiskriminierende Strukturen anderer
Kulturen. Selbst konservative Politiker beklagen hierzulande
die katastrophale Situation von Frauen aus - vorzugsweise -
islamischen Ländern. Die österreichischen
Fremdengesetze legen eigentlich offen, daß es bei
Unterdrückung, Abhängigkeiten und
Fremdheitsverhältnissen nicht um eine
"Kulturfrage"geht. Nicht die anderen Sitten, Gebräuche,
Verhaltensweisen oder das Aussehen machen
AusländerInnen hier zu Fremden, sondern die Armut, die
soziale Ausgegrenztheit, in die sie gezwungen werden. Nicht
die islamische Religion steht hierzulande hinter den
Unterdrückungsmechanismen ausländischer Frauen,
sondern das österreiche Fremdenrecht und die Politik
die dahinter steht.
Abhängigkeit 3. Teil: abhängig von der
Willkür der Asylbehörden
Das Hochkommissariat für Flüchtlinge der Vereinten
Nationen gibt die Zahl der Flüchtlinge weltweit mit 30
Millionen Menschen an, die vor politischer Verfolgung,
Vertreibungen oder Kriegen auf der Flucht sind. Frauen sind
zu 70% unter den Flüchtenden vertreten, sie sind die
Opfer der militärisch männlichen Strukturen in der
Welt und jene, die es am direktesten betrifft. Betrachtet
man Europa, so drehen sich die Zahlenverhältnisse um.
Der größte Teil aller Flüchtlinge, die es
nach Europa schaffen, sind Männer. Frauen haben selten
die Möglichkeit, auch nicht das Geld und
schließlich meist die Verantwortung für Kinder
und Eltern zu tragen - lauter Faktoren, die eine Flucht in
die "gelobten Länder dieser Welt" verhindern.
Die Genfer Flüchtlingskonvention kennt keine
Anerkennung von Flüchtlingen aufgrund von
geschlechtsspezifischer Verfolgung und das obwohl deutlich
ist, daß Frauen nicht nur die Leidtragenden sondern
auch spezifischer Verfolgung ausgesetzt sind. Vergewaltigung
beispielsweise ist integraler Bestandteil einer
militärischen Auseinandersetzung. Sie ist das deutliche
Zeichen der Sieger über die Besiegten. Sie dient der
ethnischen Unterwerfung.
Nun gibt es zwar eine Weisung des BMI, daß
Vergewaltigung als Verfolgungshandlung anzuerkennen ist und
Frauen, die vergewaltigt wurden, auch Asyl bekommen
können. Die Praxis sieht jedoch anders aus. Um vor dem
Bundesasylamt glaubhaft zu wirken, sind Asylwerberinnen
gezwungen, sehr detailliert über ihre Verfolgung zu
berichten. Nur wer exakt über das berichten kann, was
passiert ist, dem wird eventuell geglaubt. Vergewaltigung
jedoch gilt noch immer als Schande der Frau und nicht als
Verbrechen der Militärs. Ein Grund, warum Frauen einem
Beamten am Bundesasylamt häufig nichts über die
erlittenen Vergewaltigung erzählen können. Damit
ist aber auch die Chance auf Asyl und damit auf Schutz
verwirkt.
Ich möchte Ihnen in diesem Zusammenhang einen Fall
schildern, der eine nochmalige und mehrmalige massive
Gewaltausübung österreichischer Behörden
belegt. Frau S, Kurdin aus der Türkei, war in der
Türkei verhaftet, gefoltert und vergewaltigt worden.
Der erste Ort, den sie auf ihrer Flucht in Ö.
kennenlernt, ist die Schubhaft. Unter großen
Schwierigkeiten gelingt es, Frau S. aus der Schubhaft frei
zu bekommen, das Asylverfahren wird eingeleitet, ihr Antrag
von den Behörden jedoch immer wieder negativ
beschieden. Vom Flüchtlingshochkommissär der
Vereinten Nationen erhält Frau S. einen Schutzbrief, in
dem ihr ihre Verfolgung und Schutzbedürftigkeit
bescheinigt wird. Das Innenministerium fordert, trotz
bereits vorliegender Stellungnahme ihrer Psychotherapeutin
über ihre Traumatisierung, ein neuerliches Gutachten
an. Ein Psychiater, der als gerichtlich beeideter
Sachverständiger fungiert, wird mit dem Gutachten
betraut. Die für Frau S. bestellte Sachwalterin, die
sie im Asylverfahren vertritt, erfährt nur
zufällig von dem angesetzen Gutachtertermin. Ich
möchte ihnen im folgenden nur einige Fragen vorlesen,
die der Psychiater Frau S. stellte: Die erste Frage lautete:
Sind sie eine echte Kurdin. Wir kennen das ja.
Plötzhlich sind die Türken Kurden, wenn sie in
Österreich etwas wollen.
Im folgenden fordert er Frau S. auf, darüber zu
berichten, was ihr in der Türkei passiert ist und
besteht trotz dem Einwand von Frau S., daß sie
darüber nicht sprechen kann, auf einen Bericht. Als
Frau S. sagt, daß sie vergewaltigt wurde, fragt er
nach: wie oft? einmal, zweimal?, Was ist passiert?
Weitere Frage des Psychiaters - werden auch andere Frauen in
der Türkei vergewaltigt. Als Frau S. dies bejaht, meint
er: Die bleiben doch auch in der Türkei und müssen
damit fertig werden.
Abschließend werden noch Fragen zu ihrem Privatleben
in Österreich gestellt: etwa: Haben Sie einen Freund.
Als Frau S. dies verneint, der Zusatz des Gutachters: aber
so eine attraktive Frau wie sie wird doch einen Freund
haben.
Frau S. beschreibt das Gespräch mit dem Gutachter
gegenüber ihrer Therapeutin später als nochmalige
Folter.
Gewalt und Stigmatisierung wird in diesem Zusammenhang auch
von den Medien ausgeübt. Deutlich wird dies am Beispiel
bosnischer Frauen. Aufgrund der Berichterstattung aus
Bosnien-Herzegowina wurde bald nur mehr in Stereotypen
gedacht und gehandelt. diese lassen sich wie folgt
zusammenfassen: Bosnierinnen sind erstens Opfer von
Vergewaltigungen und zweitens Opfer ihrer muslimischen
Ehemänner und Familien, die sie töten würden,
wenn sie von Vergewaltigung erfahren würden. Das
Feindbild des barbarischen Moslems ist anscheinend sehr
schnell abrufbar und zugleich und wohl oft nicht bedacht,
die Stigmatisierung einer ganzen Gruppe von Menschen.
Abschließend möchte ich noch kurz die soziale
Situation von AsylwerberInnen während des Verfahrens
beschreiben. Im besten Fall genießen sie ein
vorläufiges Aufenthaltsrecht und haben Aufnahme in die
staatliche Bundesbetreuung gefunden. Welche Kriterien
für die Aufnahme ausschlaggebed sind, läßt
sich nicht wirklich feststellen. Sie folgen der
Willkür. Frauen mit Kleinkindern haben
größere Chancen aufgenommen und dadurch mit
Essen, Unterkunft und 400,- Taschengeld im Monat versorgt zu
werden. AsylwerberInnen die ohne Lichtbildausweis eingereist
sind, sind von der BB generell ausgeschlossen. Sie
können nur darauf hoffen von einer Hilfsorganisation
oder Pfarre aufgenommen zu werden oder leben im besseren
Fall, wie z.B. hier in Graz von der Sozialhilfe, das sind
2.800,- im Monat. Sie sind auch nicht aufenthaltsberechtigt,
d.h. das Asylverfahren wird zwar durchgeführt, aber
keine Aufenthaltsberechtigung erteilt. Das bedeutet,
daß sie riskieren, bereits vom Bundesasylamt weg oder
aber auch aus einem Notquartier oder von der Straße
weg verhaftet und in Schubhaft gesperrt zu werden. Die
Schubhaft dient zur Vorbereitung der Abschiebung in das
Heimatland. Rund zwei Drittel aller AsylwerberInnen haben
keine Aufenthaltsberechtigungen in Österreich. Sie sind
Menschen, die sich bereits durch die Tatsache, daß sie
existieren, strafbar machen.
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