|
Wo steht ein Artikel
mit der Überschrift: Mann warf Frau aus dem Fenster? In
der Bildzeitung.
Wo steht ein Artikel mit der Überschrift: Frau warf
Mann aus der Wohnung? In Schöner Wohnen.
von Stefan Römer
Im vorliegenden Text (1) geht es darum, einige Konsequenzen
der Abschaffung des öffentlichen Raums (2) für die
Orte zu untersuchen, in denen kollektive künstlerische
Praktiken angesiedelt sind. Eine Diskussion über die
Öffentlichkeit dieser Orte und ihre Repräsentation
scheint unvermeidlich. Diese Räume stellen im Sinne
Foucaults heterotopische Räume (3) dar, da sie
abseitige, ausgegrenzte und politisch-ökonomisch
differente Praktiken beherbergen und im Gegensatz zu den
herrschenden geoethnischen und geosexuellen
Raumhierarchisierungen funktionieren. In einem sicher
zulässigen Misreading von Foucault kann behauptet
werden, daß sich darin "Krisenheterotopien" und
"Abweichungsheterotopien" (4) überschneiden. Meine
Frage ist deshalb: Wie können diese Räume in ihrer
(Selbst-)Darstellung kritisch die Medien zur
Öffentlichkeitskonstitution benutzen? Wie können
sie sich der Verwertungsideologie bedienen und darin den
Innenstadtumbau reflektieren, in dem sie selbst situiert
sind, obwohl zukünftig tendenziell eine
sozialdokumentaristische Abbildung aufgrund korporativen
Copywrights unmöglich zu werden scheint? Also nicht nur
der Ort selbst sondern auch die Abbildung des ehemals
demokratischen Raumes von Persönlichkeits- und
Eigentumsrechten dominiert wird (5). Es ist hier nicht vom
alten Kulturindustrie- oder Spektakelbegriff auszugehen, der
jegliches Kooperieren als exploitierende Verfälschung
denunziert. Worin besteht aber die eben projizierte
Andersartigkeit, die es rechtfertigt von anderen Räumen
zu sprechen, wenn auch hier scheinbar einerseits
karrierefördernde Strategien und andererseits (Sozial-)
Neid die von der herrschenden Ökonomie diktierten
Parameter sind? Es geht mir nicht um eine Nabelschau,
sondern um die Moral des Gebens und Nehmens, den
stillschweigend sanktionierten (symbolischen) Tausch dieser
Heterotopien mit dem Außen unter dem verschärften
Druck zum Individualunternehmertum im globalisierten
Einheitsreich. Auch in den heterotopischen Räumen
besteht die Währung aus Bild-Text-Formationen, die im
"Blickregime" (6) (der Kameraperspektive) in kulturelles
Kapital konvertiert werden. Ich möchte nun zwei
Fälle heranziehen, bei denen der Umgang mit
Bild-Text-Formationen jeweils ein symbiotisches
Tauschverhältnis zwischen den heterotopischen und den
konventionskonformen Räumen symptomatisch werden
läßt.
In der Ausstellung Mode
& Art (7) war es strengstens verboten, zu fotografieren.
Die Modefirmen waren darauf bedacht, daß nicht die im
Ausstellungsraum auf Puppen drappierte Designerware, sondern
die Präsentation von Topmodels auf dem Catwalk als
Werbefotos zirkulieren. Es bedurfte einer längeren
Diskussion mit dem Museumspersonal, die von Birger
Hübel verbotenerweise aufgenommenen Fotos nicht
herauszugeben. So war es mir möglich, in der
Bebilderung der Ausstellungsreview die beiden
grundsätzlich unterschiedlichen Blickregime
aufeinanderprallen zu lassen (8). Dies schien eine andere
Darstellung von dem zu geben, wie der "Bildschirm" (9) der
in den 90er Jahren gefeierten Designermode funktioniert:
durch Ausschluß des unidealen, unkonstruierten
Körpers aus dem öffentlichen Raum der medialen
Darstellung und damit der psychischen Vorstellung. Dazu
kommt, daß der eigentlich öffentliche Raum des
Museums nur den Aktionsraum/Ambiente bildet, in dem
Modeperformances aufgeführt werden; die eigentliche
Öffentlichkeit vom Ort in die Medien verschoben
wurde.
Teilweise in
Überschneidung mit dieser Repräsentationsform
erscheinen auch die Bilder von jungen multikulturellen
CluberInnen (Girlies, RaverInnen). Wie unterscheiden sich
ihre Darstellungen zwischen Archiv- (10) oder
Künstlerbar -Ambiente (11). Der Übergang von
kontextreflexiven Praktiken, die die Funktionalität des
Ausstellungsraumes auf Repräsentationsverhältnisse
untersuchte, in ein medienoptimiertes Ambient, das nur der
Skulpturalisierung des Publikums zu diesem Zweck dient,
realisiert seit Mitte der 90er Rikrit Tiravanija am
elegantesten. Es zeichnet sich - in Abhängigkeit der
Bildselektion des präsentierenden Mediums von seiner
spezifischen Zielgruppenprojektion - nicht nur eine
Differenz der getragenen Mode und der geoethnischen und
geosexuellen Zusammensetzung der dargestellten Gruppen ab,
sondern auch eine zunehmende Einebnung der Grenze zwischen
Abbildung/Foto und Layout/Corporate Identity des
Mediums.
Dazu ein Beispiel:
Beauftragt, einen Artikel über das Projekt "Common
Spaces? Common Concerns?" (12) in der Berliner Klasse Zwei
zu schreiben, reichte ich mehrere Fotos des neuen Raumes der
Klasse Zwei ein. Ich hatte versucht beides, die
Außengestaltung des Raumes im Verhältnis zum
Umraum und die Präsentation im Innern einzufangen:
d.h., immer einen Hinweis auf den geopolitischen Ort ins
Bild zu bringen. Ausgewählt wurde von der Redaktion
eine Fotografie, die zwar sowohl die
Schaufensterbeschriftung als auch die Wandgestaltung im
Innern zeigte - eine nachvollziehbare Entscheidung. Meine
Kritik entzündete sich jedoch an der Integration des
Fotos in das Layout: Die von mir absichtlich in den
Bildausschnitt integrierte Fassade des Hauses wurde
abgeschnitten; ebenso meine intendierte Kontextbezogenheit,
die als ein dokumentarischer Hinweis auf die geopolitisch
signifikante Verschiebung der Klasse Zwei im Berliner
Stadtraum fungieren sollte. Stattdessen wurde aus dem
doppelseitigen Artikel ein Imageportrait. Dem widersprach
sowohl die innerhalb der Gruppe abgegrenzte feministische
Organisation des beschriebenen Projekts, nämlich die
unter einem Label in diesen Räumen figurierenden
differenten Praktiken, als auch die dort inhaltlich
vorgetragene Kritik an eben solcher
Corporate-Identity-Produktion, weil diese immer eine
Fortschreibung existierender Machtverhältnisse
impliziert. Glücklicherweise hatte eine Diskussion
zwischenzeitlich zur Entfernung des Klasse Zwei-Labels vom
Schaufenster geführt. So entkam die
kompliziert-komplizenhafte Praxis symbolisch der medialen
Politik. Doch wie wird - man mag mir die kryptische
Kürzelhaftigkeit dieses Textes verzeihen - diese
Operation am Signifikat auf Dauer bezahlt?
(1) Dieser
Text ist als eine Erweiterung zu Ambient is not enough I.
gedacht, in dem nach den Möglichkeiten gefragt wurde,
wie auf die Abschaffung des öffentlichen Raumes mit
künstlerischen Mitteln zu antworten ist; allerdings
handelt es sich bei dem vorliegenden Text um eine stark
gekürzte Version.
(2) Vgl. Mike Davis,
City of Quartz (1990), Göttingen/Berlin 1994, S.
262ff.
(3) Michel Foucault,
Andere Räume (1967), in: Barck, Gente, Paris, Richter
(Hg.), Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer
anderen Ästhetik, Leipzig 1990, S. 39.
(4) Ibid, S.
40.
(5) Vgl. die
Abschaffung des Rechts, den öffentlichen Raum
abzubilden, wodurch letztlich Berichte wie sie Davis
vorlegt, nur noch mit Erlaubnis des Besitzers des
Abgebildeten veröffentlicht werden können: Bernard
Edelman, Edgar Roskin, Wessen Straße ist die
Straße. Das Bild der Anderen und das Recht auf das
eigene Bildnis, in: Le Monde Diplomatique, taz,
8.7.97.
(6) Kaja Silverman,
Dem Blickregime begegnen, in: C. Kravagna (Hg.), Privileg
Blick. Kritik der visuellen Kultur, Berlin 1997, S.
58.
(7) Mode & Art
1960-1990, Palais des Beaux-Arts, Brüssel 27.9.95 -
6.1.96.
(8) Vgl. Kunstforum
Bd. 133 Feb. - April 1996, S. 318.
(9) Vgl. Silvermans
Definition des Bildschirms als "kulturell erzeugtes
Bildrepertoire, über das sich Subjekte nicht nur
konstituieren, sondern auch unterscheiden lassen - im
Hinblick auf ihre Klasse, ihre Rassenzugehörigkeit, ihr
Geschlecht bzw. ihre Sexualität, ihr Alter, ihre
Nationalität usw."; und ihre Erweiterungen, K.
Silverman, Dem Blickregime begegnen, a.a.O., S.
62.
(10) Vgl. diese
Publikumsinszenierung mit dem leeren "Konferenzmobiliar": A.
Creischer/ S. Siekmann, Reformmodelle, in: Springer - Hefte
für Gegenwartskunst Juni - Sept. 1997, S.
20.
(11) Vgl. Oliver
Marchart, Ambient im White Cube. Über Künstler-DJs
und Kuratoren-Club Hosts, in: Springer - Hefte für
Gegenwartskunst Okt./Nov. 1996, S. 24ff.
(12) Vgl. Springer -
Hefte für Gegenwartskunst März - Mai 1997, S.
40f.
|