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Von oben
nach unten: Gender-Konzepte und räumliche Bezüge
in Entwicklungsdiskursen.
25.10.1997, 11-13h,
Vortrag und Diskussion
Irmi Hanak -
ecco
Ina Ivanceanu
- fora
Sandra Zech -
fora
Partizipation,
Empowerment, Gender- Ansatz: Organisationen der
Entwicklungszusammenarbeit stehen gegenwärtig einem
wohlsortierten Angebot an Konzepten und Methoden
gegenüber, wenn sie in ihrer Arbeit
Geschlechterbeziehungen bewußt thematisieren und zu
deren Egalisierung beitragen wollen. Wie viele andere
Text-sorten kommen auch Dokumente und Konzepte aus dem
Bereich der Entwicklungszusammenarbeit ohne räumliche
Bezüge nicht aus: Überlegen wir etwa die
Vorstellung des öffentlichen Raumes und dessen
Zugänglichkeit für Frauen und Männer, oder
achten Sie einmal darauf, wie häufig die Begriffe
Stellung, Lage, Position auftauchen, wenn im Kontext der
Entwicklungszusammenarbeit benachteiligte Frauen als
Zielgruppe beschrieben werden. Wie das Beispiel zeigt, wirkt
unter Umständen die bloße Sichtbarmachung des
örtlichen Bezuges entlarvend. Auch in Begriffen wie
lokale Basisgruppe und internationaler Experte drücken
örtliche Bezüge Wertungen aus, die
Machtverhältnisse in der Entwicklungszusammenarbeit
spiegeln.
Wir erweitern Sex and Space zu Raum, Geschlecht und
Entwicklung: Die klassischen Analogien öffentlich -
privat, parallel
(welch räumliche Vorstellung!) zu formell- informell, zu Männerraum und
Frauenraum, zu
Cash- und
Subsistenzwirtschaft stellen die Schwächen
entwicklungspolitischen Denkens bloß. Interessanter
ist die Frage nach den Zwischenräumen und
Überschneidungsfeldern und die Analyse der
Transformationsprozesse. Hier werden jene
Machtverhältnisse ausgehandelt, die
Geschlechterverhältnisse repräsentieren und
reproduzieren. Entwicklung ist, wenn schon an
ökonomischen Maßstäben gemessen, nicht
vektoriell, sondern multidimensional, und verlangt nach
querdenkenden Konzepten. Dementsprechend muß die
Reflexion der Zusammenhänge von Ökonomie und
Geschlechterbeziehung in eine Lebensraumanalyse eingebettet
sein.
Der Ort des Geschehens bi- und multilateraler EZA ist vor
allem in den siebziger Jahren der ländliche Raum,
Zielgruppe ist die bäuerliche Bevölkerung. Die
Priorität, die der ländlichen Entwicklung
zugemessen wird, liegt aufgrund der wesentlichen Bedeutung
des primären Sektor für die Wirtschaften vieler
afrikanischer Länder nahe.
Die Konzentration auf den ländlichen Raum geht einher
mit der Idealisierung der ländlichen gesellschaftlichen
Verhältnisse, die einem stark problematisierenden und
kritischen Bild von Städten gegenübergestellt
werden (vergleiche z.B. den Begriff Landflucht). Dieser
kritische Blick richtet sich jedoch nicht
gleichermaßen auf den ländlichen Kontext,
Ungleichheit und Herrschaftsverhältnisse bleiben
ausgeblendet. In den Entwicklungsbemühungen werden z.B.
ländliche Haushalte zu Adressaten der
Entwicklungsbemühungen gemacht. Dabei wurde kaum
darüber nachgedacht, unter welchen Bedingungen Frauen
und Männern in Haushalten zusammenleben, statt dessen
unhinterfragte Klischees westlicher patriarchaler
Familienbilder transferiert. In Hinblick auf Regionen, in
denen Frauen einen wesentlichen landwirtschaftlicher Arbeit
leisten, Männer aber über den Landbesitz
verfügen und als nominelle Haushaltsvorstände
lokale Zielgruppe von Entwicklungsbemühungen werden,
nimmt es nicht wunder, daß solche Initiativen
Geschlechterdifferenzen eher verschärften als
abbauten.
In den achtziger Jahren erfolgt die Hinwendung zum urbanen
Raum. Sozialwissenschaftliche Forschung und
Entwicklungszusammenarbeit interessiert sich zunehmend
für migrierende und städtische Frauen. Der
Blickwinkel von Frauen, die ihren urbanen Lebensraum
gestalten, erlaubt neue Perspektiven in der Ökonomie:
Der informelle Sektor, der zuvor nicht thematisierte
Bereich, wird zum Hoffnungsträger der
Entwicklungszusammenarbeit. Mit dieser Entwicklung einher
gehen Erwartungen an Frauen sowie an den städtischen
Raum.
Mit Beginn der neunziger drängen Privatisierungen immer
mehr Männer aus dem formellen Sektor, die daraufhin im
informellen Sektor ihren Lebensunterhalt suchen. Dadurch
wird auch im informellen Sektor die Konkurrenz stärker,
die Spielraum und Möglichkeiten von Frauen nehmen
ab.
Akteure im neuen Betätigungsfeld "private sector
development" setzen sich unter anderem zum Ziel, den
informellen Sektor zusehends zu formalisieren. Auch wenn
dieser Vorgang weithin Oberflächlichkeiten betrifft,
sich beispielsweise nur in der Bezahlung von Gebühren
niederschlägt: wesentlich sind die veränderten
Zielsetzungen und Orientierungen, die Änderung in
Prioritäten. Nachhaltigkeit wird umgedeutet auf
Kosten-Nutzen-Effizienz, Verschuldungs- und
Rückzahlungsfähigkeit zum Maßstab eines
Projektes mit dem Ziel Armutsbekämpfung. Strategische
Sprache verrät das eigentliche Ziel: Durch die Vorgabe
neuer Maßstäbe soll die Kontrolle über
Menschen und Regionen reorganisiert werden.
Gender-Ansatz, Partizipation und Empowerment stehen für
Zielsetzungen des Human-development-Ansatzes, der sich in
den neunziger Jahren teils als Gegenthese, teils als
Ergänzung zum Konzept der wirtschaftlichen
Liberalisierung begreift. Qualitative Ziele der
Entwicklungsarbeit werden unter Schlagworten
zusammengefaßt, ohne deren Nennung Texte der
Entwicklungszusammenarbeit nicht mehr auskommen. In vielen
Fällen bleibt es aber auch bei der bloßen
Erwähnung. Während sich der
Human-development-Ansatzes auf Basisinitiativen des
Südens beruft, werden viele Konzepte von
mächtigeren Kooperationspartnern instrumentalisiert und
eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen angepaßt.
In der Auseinandersetzung mit dieser Begriffsverwirrung
lassen sich durch konsequente Thematisierung der
Machtunterschiede und Interessenskonflikte zwischen Nord und
Süd, Frauen und Männern, Donoren,
Entwicklungsorganisation und Zielgruppe hierarchische
Strukturen der Entwicklungszusammenarbeit herausarbeiten.
Das Durchschauen des "oben und unten" ist der Ausgangspunkt
konsequenter Gender-Analyse in der
Entwicklungszusammenarbeit.
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