4. Werkleitz Biennale 2000: real[work]
Weltweit erscheinen Wandel und Zukunft der Arbeit als das zentrale Thema der Gegenwart. Unter dem Titel real[work] greift die 4. Werkleitz Biennale diese existentielle Problematik und deren Folgen für den Kunstbetrieb auf.
Die wirtschaftliche Restrukturierung der Gesellschaft von ehemals vorrangig industrieller Produktion auf eine nun dominierende Dienstleistungs- und Informationsökonomie ist ein Prozess mit gesamtkultureller Auswirkung. Arbeit erscheint dabei als eine zentrale Grösse, die nicht mehr nur jenes klassenspezifische Austauschverhältnis von Arbeitskraft und Lohn beschreibt, sondern ein umfangreiches Bündel neu formierter Sozialbeziehungen umfasst - etwa neue Tätigkeitsfelder und Berufsbilder (Teleworking), veränderte Formen betrieblicher Organisation (Dezentralisierung) und öffentlicher Kommunikation. Die Umbewertung von Arbeit infolge der technologischen Revolution geht mit der gleichzeitigen Trustbildung der Konzerne in der sogenannten "Globalisierung" einher. Damit ändern sich traditionelle Klassendifferenzen und auch der Status des einzelnen Akteurs. Die soziale Orientierung an festen Berufsbildern und langfristiger Beschäftigung erweist sich zunehmend als perspektivloses Unterfangen. Für die neuen Arbeitsanforderungen und Verteilungsformen fehlen jedoch verbindliche Handlungs- und Verhaltensmodelle.
Dieser fundamentale Wandlungsprozess schafft auch für künstlerische Produktion neue Rahmenbedingungen. Eine Abgrenzung gegenüber Unterhaltungskultur und Dienstleistung innerhalb einer "unfreiwilligen Freizeitgesellschaft" ist zunehmend schwerer möglich. Um der Vereinnahmung durch Kulturindustrie und Kunstmarkt zu entgehen, erlangen anarchische Positionen traditioneller Arbeitsverweigerung neue Bedeutung. Die Besinnung auf scheinbar (mehr-)wertlose oder absurde Tätigkeiten und Störungen von Arbeitsprozessen zielt auf kritische Distanz gegenüber der gesellschaftlichen Entwicklung. Gleichzeitig verfolgen verschiedene künstlerische Ansätze mit der Reflexion und Dokumentation dieser dramatischen Veränderung ein dezidiertes Erkenntnisinteresse. Während solche kritisch-reflexiven Positionen vor allem politische Relevanz beanspruchen können, verfügen jene in den letzten Jahren entwickelten Cross-Over-Strategien der Kunst über ein bisher kaum thematisiertes experimentelles Potential für die Suche nach neuen Tätigkeitsfeldern und Produktionsmodellen. Auch hat der positiv besetzte Begriff künstlerischer Arbeit im schöpferischen, selbstverwirklichenden Kontext eine Orientierungs- und Sinnstiftungsfunktion über den Kunstbetrieb hinaus.
In der Region Sachsen-Anhalt, insbesondere im Landkreis Schönebeck, dem Standort der Werkleitz Biennale, besitzt das Anliegen von real[work] besondere Signifikanz: Seit Jahren wird hier mit zum Teil weit über zwanzig Prozent die höchste Arbeitslosenquote der Bundesrepublik verzeichnet. Der plötzliche Verlust traditioneller Arbeitsressourcen infolge der Schlie&Mac223;ung ostdeutscher Industriebetriebe und die Etablierung von Informations- und Mediendienstleistungseinrichtungen, zu denen auch die Werkleitz Gesellschaft zählt, verkörpern zwei extreme Pole in der ländlichen Region, die mit real[work] explizit in ein konstruktives Spannungsverhältnis gebracht werden.
real[work] sucht nach künstlerischen Positionen, die jenen gesamtgesellschaftlichen Prozess des "Wandels der Arbeit" reflektieren. Es stellt sich hierbei keinesfalls der Anspruch die Probleme der Politik und der Kultur zu lösen, dafür aber kritische und diskursive künstlerische Äusserungen zur Thematik des Arbeitsbegriffes zu zeigen und zu diskutieren. Sechs GastkuratorInnen wählen Arbeiten von KünstlerInnen aus den Bereichen Bildende Kunst, Film / Video, Internet / Multimedia und Performance aus. Das Programm der Biennale wird durch Vorträge, Diskussionen, ein workspace-Symposium und eine Auftragsvideoproduktion zum Thema real[work] als Dokumentation der Veranstaltung ergänzt.
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