Politisch engagierte Künstlerlnnen operieren auf' vor allem zwei Ebenen: erstens produzieren sie Kunst um direkt soziale Veränderungen herbeizuführen. zweitens arbeiten sie auf' einen Strukturwechsel des Kunstbetriebs hin. Dabei sollte man sich bewußt machen. dass diese Aktivitäten notwendiger Weise mehr von reformistischen als von revolutionären Charakter sind. In der Tat bewirken sie häufig eine Konsolidierung des hestehenden Systems, im Westen genauso wie im Osten.
Kunst, die die Gesellschaft verändern will. wird durch die enge Verschränkung von Kunst und Gesellschaft desavouiert. Der Staat unterstützt Kunst. er braucht Kunst als Kosmetik für die schrecklichen sozialen Zustände und verwendet sie. um viele Menschen zu vernebeln, zu zerstreuen und zu unterhalten. Selbst wenn sie sich die Kunst gegen die Interessen des Staates wendet. kann sie nicht die Nabelschnur zum Staat durchschneiden. Kunst im Dienste der Revolution bleibt unbefriedigend und suspekt. solange zahlreiche Verknüpfungen zwischen Kunst. Staat und Kapitalismus bestehen. Trotz dieser Problematik werden Künstlerlnnen fortfahren. Kunst herzustellen. um die Gesellschaft zu verändern.
Im Laufe dieses Jahrhunderts haben Künstlerlnnen die hegemonialen Methoden der Produktion, Distribution und Konsumption von Kunst attackiert. Diese Angriffe auf den Kunstbetrieb gewannen in den letzten Jahren an Bedeutung. Dieser Kampf, der auf die Zerstörung des derzeitigen kommerziellen und öffentlichen Marktes und Fördersystems abzielte, kann im Laufe dieses Jahrzehnts seinen erfolgreichen Abschluß finden.
Die Verweigerung von Arbeit ist die Hauptwaffe der Arbeiterschaft, wenn sie gegen das System kämpfen; Künstlerlnnen können dieselbe Waffe verwenden. Um das Kunstsystem zu zerschlagen. ist es notwendig, zu Jahren ohne Kunst aufzurufen, zu einer Periode von drei Jahren, in der Künstlerlnnen keine künstlerischen Arbeiten herstellen, keine verkaufen. keine Arbeit in eine Ausstellung geben und jede Zusammenarbeit mit einem Teil der Publizitätsmaschinerie des Kunstbetriebs verweigern. Die totale Arbeitsverweigerung bedeutet die größte Herausforderung der Künstlerlnnen an den Staat.
Die Jahre ohne Kunst werden zu einem Zusammenbruch von vielen privaten Galerien führen. Museen und kulturelle Einrichtungen. die Gegenwartskunst zeigen. werden massiv geschädigt, Geldmittel verlieren und ihr Personal verringern müssen. Nationale und lokale Kulturinstitutionen werden ernsthafte Schwierigkeiten bekommen.
Kunstmagazine werden eingehen. Das internationale Konglomerat aus Händlern. Museen und Medien wird sich als verwundbar erweisen: ein System. das mit einer andauernden Täuschung der Künstlerlnnen. der Finanzen. der Wirtschaft und an Informationen eng verbunden ist - einen Teil zu schädigen. würde einen weltweiten Effekt nach sich ziehen.
Drei Jahre ist der minimale Zeitraum. der nötig ist. das System zu lähmen. während eine längere Periode Schwierigkeiten für die Künstlerlnnen bringen würde. Die winzig kleine Anzahl von Künstlerlnnen. die von ihrer Kunst leben können. ist genügend reich. drei Jahre lange von ihrem Kapital zu leben. Die große Mehrheit der Kunstproduzentlnnen muß dagegen ihre Arbeit durch andere Mittel subventionieren: sie werden in der Tat Geld und Zeit sparen müssen. Die meisten von denen, die Kunst produzieren. verkaufen ihre Arbeiten nie mit Gewinn. erhalten nie die Möglichkeit. unter guten Bedingungen auszustellen und bleiben in den Medien ungenannt. Einigen Künstlerlnnen wird es schwer fallen. ihre Kunstproduktion gänzlich einzuschränken. Diesen KünstlerInnen wird der Aufenthalt in einem Lager angeboten, wo das Herstellen von Kunst verboten ist und alle angefertigten Werke in regelmäßigen Intervallen zerstört werden.
Statt Kunst zu produzieren, können die Menschen die Zeit damit verbringen, sich mit historischen, ästhetischen und sozialen Themen zu beschäftigen. Es wird notwendig sein, zukünftig gerechtere Formen des Marktes, des Ausstellungswesens und der Öffentlichkeit zu entwickeln. Umso weiter das 20. Jahrhundert voranschreitet. umso mehr schwächt der Kapitalismus die bildende Kunst - der tiefe Eingriff der Jahre ohne Kunst wird der Kunst eine neue Chance geben.
Gustav Metzger