text
The Names
businessman and terrorists abroad
Ein input für public utility, KOMBIRAMA, Zürich, 11.2.1997
von Florian Zeyfang
dia GÖRTZ
Ist es bereits so, dass das Internet nicht mehr wegzudenken ist? Haben wir die Form der Informationsweitergabe, wie sie das www anbietet, schon als festen Bestandteil der Kommunikation oder besser, unserer Informationsbeschaffungsumgebung, akzeptiert? Ist es Teil wiederum dieses "Teil des Kosmos, der mich interessiert"?
Man muss das wahrscheinlich zumindest für die hier Anwesenden bejahen. Auch die Form, wie derzeit Werbung gemacht wird, ausserhalb des Netzes, spricht dafür: Da wird, wahrscheinlich ist das auch in der Schweiz zu beobachten, mit der Aesthetik von www und Windows, bzw. Mac oberflächen, für bspw. Schuhe und vor allem - Autos, geworben. Aber dazu später nochmal mehr.
Ich bin ja kein so uneingeschränkter www - Fan, im Gegenteil hab ich diese Art der Informationsweitergabe in der Vergangenheit mehrfach kritisiert. Mir gefällt dieser "Werbung für alle" - Aspekt nicht, aus verschiedenen Gründen. Obwohl ich manchmal nicht umhin kann, den durchaus auch subversiven Charakter eines solchen Slogans zu akzeptieren - dann aber, wenn er, wie bei utv, einem alternativen Fernsehprojekt, auf Medien bezogen ist, wo Werbung traditionell nicht für alle möglich ist.
Das ist aber auch im Internet in Wirklichkeit nicht der Fall.
Hier ist dieser Slogan, dieses demokratische Ideal, vielmehr zum Motor geworden und selbst wiederum Werbung für ein Medium, das wie viele andere Medien als ein gesellschaftliches Projekt zu verstehen ist, um das sich ganz selbstverständlich auch die Trendforscher der Freizeitindustrie kümmern. Soweit ein normaler Vorgang, so normal wie die Funktion der Freizeitorganisation als Kontrolle.
Jedenfalls ist das Interesse an Internet und www schon so stark ausgeprägt und die Nutzung durchaus auch differenziert - es gibt eben den Informationsbereich, die Universitäten, die verschiedenen Märkte für Musik, Technik, Sex und einen Kunstbereich - so ausgeprägt, dass man sich mal die Seiten im Einzelnen anschauen kann, um etwas daran festzumachen und eine Analyse ihrer Inhalte neben die Analyse ihrer allgemeinen Funktion zu stellen. Die Ersteller dieser Seiten fordern das, die Netz - Spezial - Presse tut das und die Ausschreibung von Wettbewerben unterstützt das. Das www ist sozusagen zur Kunst - olympischen Disziplin ernannt, Fr. Samaranch aka Catherine David wird das wahrscheinlich mit der nächsten Documenta absegnen, Hr. Weibel wird wieder schreien, dass er vorher da war.
Aber auch die Seiten, die solches Scoring für sich immer ablehnen würden, weil sie sich mehr mit der Politik, v.a. der des Internet selbst, beschäftigen, verdienen Aufmerksamkeit. Auch hier wird viel noch mit der Kunstanmutung gearbeitet und ich kann schon mal vorneweg sagen, dass ich am Ende auch eine andere Nutzung des Internet und anderer Kommunikationsnetze unterstützen möchte als ausgerechnet das Seitenbauen im www.
Nebenbei möchte ich auch den Kauf von Computern als solches gerne in Frage stellen, werde daran aber scheitern.
Es geht mir bei der Kritik im www v.a. um die Art des Egotransportes, der Wunschbefriedigung im Individuellen, wie er nicht nur in den Kommunikationsmedien, sondern natürlich an allen Orten der Öffentlichkeit, und sinds noch so alternative Kunstorte, vorkommt. Das möchte ich auch gar nicht ganz ablehnen. Aber in den www Seiten scheint er mir nochmal deutlicher und altmodisch direkter, plumper und geradezu ursupatorischer anzutreffen. Das heisst, hier soll wirklich Raum besetzt werden, der, scheinbar unendlich, im Grunde eben doch begrenzt ist. Der Spruch vom Go West, Young Man ist ja nicht umsonst oft mit dem Internet in Verbindung gebracht worden und eine der aktivsten und dabei auch kritikabelsten Organisationen heisst "Electronic Frontier Foundation". Oder sonst aufgeklärte Menschen sprechen von der "Okkupation des Raumes, bevor andere es tun" und verwenden noch mehr kämpferisches Vokabular.
Die EFF und andere wollen schon ziemlich radikal sein, dann gibts noch Radikalere und deswegen heisst der Untertitel dieses "Inputs" auch "businessman and terrorists abroad", Geschäftsleute und Terroristen unterwegs.
Das hab ich einem Roman Don DeLillos entlehnt, der sonst nur ganz entfernt mit dem Thema zu tun hat: The names 1982, müsste eigentlich das Buch sein, das ich hier ins regal gestellt hätte, ...)
If travel is a way to know space and constructions are a way to make it human, both motives obtain in communication, that covering of space that most directly manifest s the systems orientation and metafictional aspects of the names.1
Being abroad - Die Reisemetapher ist ja auch immer noch nicht wegzudenken aus der Netzwelt, obwohl der Neter alles andere macht als reisen. Doch so sind im Internet Leute "unterwegs", die sich für Geschäftsleute oder Terroristen halten, sicher wären viele davon gern beides. Da wird am elektronischen Outfit gemodelt, halt Namen und Bezeichnungen vergeben, und dabei ist diese Kombination plus Künstlersein bestimmt eine der speziellen Egokonstruktionen im Netz, die so offen nur dort vorkommt. Der Terrorist hackt die Datennetzte und kommt allerdings nur noch selten in freier Wildbahn vor, denn als Sicherheitshacker arbeitet er schon lange bei den grossen Softwarefirmen.
Oder der rechte Terrorist vernetzt sich angeblich mit Hilfe des Internets, realisiert angeblich so Bombenanschläge auf Kindergärten in Oklahoma - als ob er das nicht anders könnte - und stellt paralell dazu extrem dumme Seiten ins WWW, weil er nämlich gleichzeitig auch Businessman ist und an den Erfolg der Werbebotschaft im www glaubt. Und die Resonanz in allen Medien, die sich auf solch wilde Theorien stürzen, gibt ihm doch tatsächlich recht.
FREIE RADIKALE
Oder die "terrorists of textuality, agents of literacy`s mastery":
Im Radikaltext fühlt sich der radikale Freiheitsvertreter vertreten, hier fordert er seine Freiheit auf Anschläge - vor allem auf den guten Geschmack der Bildungsbürger, die er um sich herum vermutet. Das Lieblingsschimpfwort des textterroristen ist "sozialdemokkratisch", darin meint er alle Spiessigkeit der Welt gebündelt vorzufinden. Alles Beleidigungen für seinen guten schlechten Geschmack.
Der texter hat bereits einen neuen text entworfen, eine dem Netz adaequate Schreibe, vorzufinden beispielsweise gehäuft in der Online Zeitung Telepolis. Diese Schreibe klingt aber meiner Meinung nach eher unpräzise und wimmelt genauso von Futur eins wie die Prognosen der Technikfetischisten und Waschmittelwerber.
(ich benutze übrigens absichtlich nur die männliche Form, denn noch ist in diesen Bereichen eine grosse Überzahl von Männern auszumachen.)
Der Textradikale benutzt auch gerne den von Guattari und Deleuze entlehnten Begriff der Wunschmaschine und übersieht dabei, wie Katja Diefenbach in ihrem Aufsatz "Wunschlos unglücklich"2 ausgeführt hat, dass es sich bei der "Maschine" keineswegs um Techologie handelt. "Denn Mensch und Werkzeug sind Maschinenteile auf dem vollen Körper der jeweiligen Gesellschaft. Die Maschine ist zunächst eine gesellschaftliche, konstituiert durch die maschinenerzeugende Instanz eines vollen Körpers, sowie durch die Menschen und Werkzeuge (), die maschinisiert werden. "(D/G)
(Übrigens wird ja auch gerade wieder Donna Haraway sowohl in "Wired" als auch in Pl@net, einer sehr harmlosen deutschen Internetzeitung, für Thesen in Anspruch genommen, die m.E. überhaupt nicht ihren Ansätzen entsprechen, da sie die Cyborgtheorie ähnlich 1:1 interpretieren. Aber da hat auch vielleicht schon eine D/G sche Reterritorialisierung stattgefunden.)
Jetzt mag man anführen, dass diese Verwechslung v.a. für die Versprechen des Cyberspace/körper/technik/sex/ gilt und das Internet diese Verwandlung eben nicht mitmacht - aber wie das www an die Nutzer verkauft wird wiederholt eben genau diese Projektionen, einschliesslich der Ängste, und man könnte momentan den Gegenbeweis nur liefern, wenn dieses "Projekt" von der Mehrheit der Gesellschaft abgelehnt würde - oder wenn die Gesellschaft in der Lage wäre, die von den Werbern der Multimediaindustrie erzeugten Projektionen in eine wirkliche Wunschmaschine zu verwandeln.
Wie Katja nämlich schreibt, setzt das von D/G entworfene "Konzept der Wunschmaschinen" auf eine revolutionäre Überschreitung des Kapitalismus. Die Wunschmaschine, die die Techniktexter - bis auf wenige Ausnahmen - im Internet sehen wollen, entspricht eher dem "Gadget", das, wie K. schreibt, "gänzlich der Logik des Kapitals und / oder der Psychoanalyse", gegen die sich D/G auch richteten, verhaftet ist, die D/G als befriedendes, nur imaginäre Scheinlösungen anbietendes Instrument ansehen. Also Freizeitindustrie, Integration, Befriedung.
ETOY DiaETOY
In einer abgemilderten Variante zum Beispiel stellt sich mir das im Projekt ETOY dar. etoy sind die Gewinner der letztjährigen Ars Electronica Nica. Die wurden mir auch gerne von durchaus wunschmaschinen - getriebenen Bekannten empfohlen.
etoy machen auf links, nein, das solls ja nicht mehr geben, also zumindest auf radikal. Das ist ja auch schick, selbst und in der Naehe der Kindergartenbomber, die ja bekanntlich aus dem rechten Lager kamen. Etoy reden von Hijacking und Mailbomben, aber am radikalsten ist derzeit, nachdem das Hijacking beendet ist, auf den Seiten von etoy der Link zu einem Anonymen Remailer. Das ist nun wirklich ein alter Hut, über den früher übrigens versucht wurde, möglichst wenig zu reden. Denn das hat ja tatsächlich eine Funktion , wenn man Emails anonym, also nicht rückverfolgbar, schicken kann, und ein viel Reden über Konspiration hat derselben nie viel genützt.
Ausserdem verschweigen ETOY, dass schon Betreiber ebensolcher anonymer Remailer auseinandergenommen wurden, ihre Adressen, also Namen, herausgeben mussten, weil findige businessmen das vor Gericht einklagen konnten. Drittens und nebenbei ist Remailing natürlich Text, Emailing, 20 Jahre alt und hat mit dem www nix zu tun. Aber es ist auf der wwwseite gut fürs Ego. Auf der etoy - homepage werden übrigens zentral in der Mitte im ständigen Wechsel die Macher der Seiten gezeigt... .
Man also reveals and forms himself in the way he fills or cover s up space.3
Das erinnert micht daran, wie in den Anfangszeiten des "Internet goes art" eine Künstlerin in Berlin in einer Galerie ein mit PGP verschlüsseltes Dokument ausstellte, mithin als ihr Kunstwerk, auch wenn sie das jetzt vielleicht abstreiten würde. Inzwischen ist der Schreiber dieses Programms, Phil Zimmermann, vom Vorwurf des Exports einer Waffe - denn darum handelt es sich bei einem V - Programm in den Augen des US - Rechts - entlastet worden. Aber damals war das ein wichtiges Thema und mich wunderte, dass diese Künstlerin das einfach so mit ihrem Namen in Verbindung bringen wollte.
Auch gut fürs Ego, der Missbrauch von Programmierern, die gutmütig immer halfen - naja, das ist vielleicht auch so ein Mythos - , durch Künstler inzwischen eine gewisse Tradition, die manche Computerspezels inzwischen jede Hilfe ablehnen lässt.
diaJODI
Hier nochmal eine Site, auf die sich anscheinend alle einigen können, etoy empfehlen JODI und der Kommunikationswissenschaftler H.A.Meyer auch. Ist halt so schön kryptisch... .
HACKING AWAY AT THE COUNTERCULTURE
Aber in den Bereichen der (Ex)Hacker ist das Verhältniss zur Macht auch eher reaktionär, oder vielleicht kokett, geworden. Wenn man als knapp 20jähriger von den Mächtigen der BRD, bspw. dem Amt für Sicherheit in der Informationstechnik, oder der Regierung, oder den grossen Konzernen an den Tisch gebettelt wird, um den Stand der Sicherheitstechnik zu debattieren, fühlt man sich überlegen. Wenn man in 3 Tagen 300 000 Mark verdient, weil man den Zusammenbruch eines Intranets behebt, fühlt man sich unabhängig, glaubt, das Spiel unheimlich gut spielen zu können. Hacker, Medienterrorist UND reich.
Das stimmt ja auch, in diesem Moment, und das lasst sich bestimmt noch eine Weile fortsetzen. In diesem Arrangement mit eigentlich Mächtigeren und Finanzstärkeren erlangen diese Jungs ja auch für kurze Zeit einen Status, der mit Freiheit verglichen werden kann, Freiheit unter den Bedingungen des Spätkapitalismus, in Kollaboration mit den Umständen. Sie schwimmen sozusagen oben auf, surfen auf der Infogesellschaft, wie sich das die Autoren der Cyberpunkromane immer vorstellen, wie in Snow Crash oder Virtual Light. Aber in dem Moment wird der Terrorist wieder zum Businessman. Übrigens auch in Snow Crash (wo der Hacker, der gerade die Welt gerettet hat, sein Antivirenprogramm versilbert.) Oder in Biochips von Gibson: "Er war ein ständiger Aussenseiter, ein wandernder Faktor, der auf den geheimen Meeren der Politik der Multis kreuzte".
Damit arbeiten aber die besten Hacker eben doch bei der IBM, wie diese Firma für sich wirbt. Und wenn mal einer noch Furore macht, wie Kevin Mitnick, dann nur solange, wie er sich nicht erwischen lässt. Mitnick war so was wie ein Netzgauner, ein Gentlemengauner eher nicht, jetzt wird er immer als kluger Mensch mit labiler Psyche dargestellt. Aber für kurze Zeit stand sein Name für den letzten der Hacker - ein Held.
Mitnick ist kein Held mehr, weil er sich hat erwischen lassen. Er war also als businessman nicht gut genug für das anarchische Freimarkts - Feld der Netze. Der Softwarefirma - Hacker, der ihn erwischte, hat jetzt das Buch darüber geschrieben und macht damit die Kohle, versucht selber, ein Held zu sein und wird von den konservativen Medien auch als solcher bejubelt. Der gute Bulle.
D.h., ich glaube, dass Mitnick kein Held mehr ist, bin aber zu einer Umfrage unter den "Hackern", die ich kenne, noch nicht gekommen. Aber ich habe nichts mehr von ihm gehört und die Jungs wollen auch immer einen Handyladen aufmachen, wenn sie einen Laden, einen Raum zur Verfügung haben.
(The) cultists select a victim by matching his or her name´s initials with the initials of the place name the cult happens to occupy.4
WERBUNG
Handys waren ja auch mal männermythenterrortauglich, weil sie angeblich abhörsicher waren. Dann stellte sich das Gegenteil heraus und jetzt wird die Verschlüsselung von Staats wegen betrieben, mit eingebauter Hintertür für den Verfassungsschutz. Gleiches gilt für die Verschlüsselung in den Netzen, ohne die man Texte im Netz auch leichtestens nach Suchwörtern scannen kann. Das ist die Geschichte von oben erwähntem PGP, bei dem das noch nicht geht, und Phil Zimmermann. Auf den koennen sich dann doch immer alle, auch ich, einigen.
diaKIA0.1
Aber eben Handys, und die Beweglichkeit, die Unabhängigkeit, der Erfolg: "... am Anfang hatte ich nur eine Idee und mein Sony", oder Motorola usw. ... . In der Werbung ausserhalb des Netzes, aber mit der Ästhetik, die von dort kopiert wird, werden vor allem Autos beworben, Fiat und, wie hier, KIA diaKIA. (Das ist vom Fernseher abfotografiert.) Moderne Autos, natürlich, da wird das egodesign weitergeführt, alte machosymbole für Bewegung, individuelle Freiheit und Verwirklichung. Der Wunsch, das Begehren wird mit Individualverkehr und medialem Freizeitvergnügen befriedigt.
diaOPEL
Bei den Roadmovies stimmt das ja vielleicht noch, vielleicht sinds aber auch nur Tricks, jedenfalls beginnt kaum ein Roadmovie damit, dass ein Auto beim Opelhändler gekauft wird, sondern es wird geklaut und das ist dabei ein ganz wichtiger Faktor. Wenn das www zum werben benutzt wird, soll man aber kaufen, und wenn da noch nicht alle zum www kommen, muss das www eben zu Euch kommen, per Design.
dia EGO
Mit der Eigenwerbung fängt die Werbung fürs Netz an. Es heisst ja: Jeder darf seine eigene Homepage gestalten.
Damit erschöpft sich erstmal seine Freiheit, wenn er eben nicht Hacker ist, oder Autos klaut, oder so tut als ob - in beiden Fällen. Ich will ja nicht sagen, dass Werbung etwas Böses ist, aber wie Armand Mattelaart5 schon mal ausgeführt hat, ist dann der Sinn der Freiheit in den Netzen nur der Sinn der Freiheit eines Marktes, der erstmal allen zum Wettbewerb offensteht. Das ist dann sehr genau die Interpretation von Freiheit wie sie gerade in Gods own Country forciert wird, wie sie im Prinzip auch die EFF und ähnliche Organisationen vertreten:
Über die rudimentären Aspekte eines im Netz zur Schau getragenen Urkapitalismus ist ja auch schon viel gesagt worden. Diese ganzen Aspekte des Claimabsteckens, des Sicherns, des zuerst dagewesen vs. Bessere Strategie bieten sich an. Obwohl das www übrigens, oft gesagt, im CERN in der Schweiz entwickelt wurde, erinnert das an die Entdeckermythen des amerikanischen Westens, wo das Netz dann gross wurde. Die EFF und voran ihr Chefcowboy John Perry Barlow stehen jedenfalls voll hinter dieser Ideologie, sind dann wie Barlow auch mal gute Freunde von big Bill und anderen grossen Kapitalisten und sind gegen nichts so sehr wie staatliche Reglementierung. Gegen den Staat sind ja auch schon mal andere, aber die Art von Staatsüberdruss, die aus Barlows Worten spricht, meint halt eine Anarchie des Spätkapitalismus, die dem Markt alle Hindernisse aus dem Weg räumen möchte. Barlow fragt sich ja dann noch, ob der Kampf zwischen Staat und Netzgemeinde unblutig geführt werden wird... .
(Ich vergreife mich jetzt übrigens ein wenig polemisch an Begriffen, die bestimmt nochmal erläutert werden müssten. Aber zumindest Barlows Sprache und Anspruch hab ich schon mal ausführlicher ende 94 besprochen6).
Also machen wir mal Netzseiten über uns. Fiktive Netzseiten: ICH und Me, Myself and I.
Das hier ist eine beliebige Homepage, die ich auf der Suche nach Schlagwort EGO fand - 113.000 Hits übrigens.
dia INES
Oder die von Ines@Ines.com, die hat sogar ihre domain nach sich benannt. Das kann nun nicht jede/r, ist aber erstmal der ironische Gipfel der Inanspruchnahme von Raum und Definition durch den Eigennamen.
diaINESvita
Das ist dann auch dem netzreflektierenden Neudenker zuviel und er gründet gleich eine Online Zeitung, denn Auswahl im Chaos muss sein. Da setzt dann auch wieder der Ausschluss ein, und von wegen: jeder kann Werbung für sich selber machen. Jetzt gehts wieder darum, wer hier schreiben darf und damit setzt auch wieder das ganze Begehren ein, dass wir aus unserem Umfeld so kennen und das jeder schon mal, erfolgreich oder nicht, bekämpft hat.
Oder die Auswahl findet doch wieder übers Geld statt: das Wall street Journal verlangt jetzt, wie einige bessere Infodienste und der Sexmarkt im Ganzen, Geld für seine Seiten. Altes Thema, andere werden da auch sicher nicht so schnell nachziehen. Aber diese beiden Märkte, Sex und Info, scheinen mir gesichert, lukrativ und vor allem verwaltbar.
diaName.Space
PUTTING A HOLD ON NAMES
Ein ganz interessantes Unternehmen, auf die Definition von Raum durch Namen Einfluss zu nehmen, ist name.space. Der Künstler und Medienaktivist Paul Garrin versucht mit dieser Site die Monopolstellung von IANA (Internet Assigned Number Authority) und von InterNIC/NSI/SAIC, die die "topdomains" der WWW - Adressen vergeben, zu brechen. Die Topdomains sind die Endungen hinter jeder Adresse .ch, .de, .nl, usw. für die Länder, oder .com, .org, .net , .edu usw. als vor allem in den USA verwendeten Adressen.
(NB.: Die USA sind das einzige Land im Internetbereich, für das keine Endbezeichnung benutzt wird. Das Land mit der 1 als Telefonvorwahl und den meisten Internetusern manifestiert hierin seine Machtstellung, markiert das Innen - die USA - gegenüber dem aussen: - alle anderen. Und wenige Nordamerikaner haben was dagegen, ein solches Bewusstsein zu kreieren. Mit diesem Selbsverständniss wird o.e. Ideologie der Marktfreiheit weiter transportiert.)
IANA und die anderen verlangen seit 2 Jahren auch Geld, und zwar derzeit ca. 100$ für die ersten 2 Jahre und dann 50$p.a. zur "Auffrischung". Angeblich sollen sich diese Gebühren verzehnfachen, um die Verwaltung und die Hardware zu bezahlen. Das muss nicht den Tatsachen entsprechen, ist aber anscheinend ein von der IANA vorgelegter Entwurf.
G. vergleicht das mit der Willkür der Telefonnummernverteilung am Beginn der telekommunikativen Zeit und versucht also, wie damals in den USA die erste private Telefongesellschaft MCI das Monopol von AT&T auf Telefonnummern, das Monopol auf die Vergabe dieser "Topdomains" zu brechen. G. bietet dazu eine Oberfläche, wo man sich selbst Namen geben kann. Endungen wie .berlin, .kunst, .sex. koennen registriert werden. Insgesamt 200 endungen sind derzeit im Angebot, für nur 25$ im Jahr. diaTOPS
G. zeigt sich ja schon in der Benennung seiner Company, Name.Space, der Definitionsmacht von Namen in diesem textdefinierten "Raum" bewusst. "Nutz den Namen Deiner Firma als Topdomain", wirbt er für seine Firma. Ein Schritt weiter in Richtung Diktat der freien Marktwirtschaft, was zumindest bei einem Politaktivisten wie G. verwundert. Bei Barlow hätte es mich nun nicht überrascht. Defacto schimpft G. auch über den freien Markt, verlangt aber weitere Deregulation im Netz, wenns der Staat schon nicht mehr hinkriegt. Hier, finde ich, wirds dann mit den Begriffen ganz kompliziert. G. spricht dann noch von einer Stalinisierung des Netzes und der Befreiung, was der Sinn von Name.Space wäre... .7
Trotzdem, Name.Space ist eine politische Ebene nicht abzusprechen, zumindest solange, sagt beispielsweise Kritiker Rop Gongrijp8, wie es beim symbolischen (künstlerischen) Akt bleibt. Denn es gibt 10 bis 15 weitere Monopolbrecher, die auch am Problem der Topdomain - Vergabe arbeiten. Die sind aber weniger solitär, künstlerisch und, so will es scheinen, auch weniger im Auftrag des eigenen EGO unterwegs. Wenn nun G. auf der praktischen Durchsetzung seines Angebotes beharrt, entstehende Schwierigkeiten bei der Adressierbarkeit, bei der Accessability der neuen Adressen.
Hier meinen nun die Kritiker, dass der Status Quo in Jahren und unter Beteiligung von ungezählten Internetusern erreicht wurde, dass er zwar kritikwürdig sei, aber dass schon länger und wiederum von vielen Gruppen an einer besseren Lösung als der von G. gearbeitet wird. Dieses neue System soll "uns von der Pyramide der Benennung" befreien. ("the pyramid of naming") Aber überhaupt sei das nicht das Hauptproblem im Netz derzeit... .
Da sich Name.Space immer auf den Künstler G. bezieht, Name.Space seine Company ist: Bleibt da nur der Akt, die Behauptung eines Eingreifens? Das Benennen ist mein, ich bin der Künstler, und benennen ist meine (oder Gottes) Sache?9 Garrin wird demnaechst Stellung dazu beziehen müssen, denn Gongrijp und andere vermuten in seinem Handeln bereits die Absicht, in der zu erwartenden Verwirrung ein paar topdomains abgreifen zu können und damit dann Geld zu machen. Klingt böse, ist aber unter der oben geschilderten Idee einer Freiheit des Marktes durchaus vorstellbar.
HOW DO YOU CONNECT THINGS? Learn their names. After I told the man from the ministry what I´d seen, () I gave him all the names10
diaROMANIK
MAILINGLIST
Was sich mir im Internet an direkten Eingriffsmöglichkeiten anbietet, obwohl ich das www nicht verdammen möchte, liegt eher in den klassischen Textbereichen, u.a. im Email, wo jetzt gerade im Zusammenhang mit den Innenstadt Aktionen, den Innenstadttagen, die im Juni stattfinden sollen und die bei public.utility sicher noch mal vorgestellt werden, von Katja Eydel und mir eine Mailinglist aktiviert wurde, natürlich zum Thema Innenstädte. Da gibt es dann eine Software, die hat der/die bessere AnbieterIn eures Vertrauens, die heisst majordomo und scheint so etwa 100 Jahre alt zu sein.
Mit diesem relativ einfachen Programm, das leider auch seine Macken hat, werden alle Nachrichten, die an eine bestimmte Adresse geschicht werden - in unserem Fall ist das Innercity@is.in-berlin.de - automatisch an alle eingetragenen Email Adressen weiterverschickt. Einige dieser Adressaten haben noch nicht einmal einen Zugang zum www, sondern nur ihren Email - Anschluss, aber das nun zur Ideologie zu machen, fände ich auch falsch. Vor allem, weil wichtige Texte aus der List auch ihren Weg ins www finden sollen, was?, so werbung für alle mässig... .
Insgesamt eignet sich jedenfalls diese Ebene, auch wenn nicht immer alles glatt läuft und nicht immer der Inhalt der mails wirklich gehaltvoll ist, wesentlich eher zum Arbeiten, zu einer produktiven Auseinandersetzung mit anderen Netzteilnehmern. Und nicht nur denen, denn, wenn alles richtig läuft, sollen die msg. in allen Städten ausgedruckt und an einem bestimmten Ort zur Einsicht bereitstehen. Hierz.B. im Kombirama und in der Shedhalle. Denn nichts ist blöder als der Zwang zum Netz, der Zwang zum Computer(kauf) und das soll auch ohne gehen.
(Bei der Gelegenheit sei an die gute alte Mailbox sei erinnert, die sicher bald eine ganz kleine Renaissance erfahren wird, weil sie nämlich unabhängiger, unauffälliger und bis zu ihrer Entdeckung und Einschleussung von Spitzeln Suchwortscan- und abhörsicher ist. Dafür bracht man aber auch nen Computer... .)
Ich versuche es seit geraumer Zeit ohne Computer, mein alter war kaputt und schon vorher hatte er in 1 Jahr zwei Drittel seines Werts verloren. Ich wollte keinen mehr kaufen. Ich verwalte die Mailbox direkt auf dem Server, wo auch die Ordner liegen. Das ginge von einem ÖffTerm, wenns denn welche gäbe. Defacto kann ich das aber auf den Computern der Internationalen Stadt direkt machen, oder von meines Mitwohnis PC, oder von unserem alten BotschaftsMac, der schon fast "blind" ist. Aber für diesen text hier musste ich schon wieder Axels Laptop ausleihen, weils nun doch schon Gewohnheit ist beim schreiben, und so gehts denn doch nicht weiter, jetzt muss wohl doch wieder ein Billigmodell her.
Im Moment scheint mir aber das Modell "öffentlich Terminals", obwohl auch schon als sozialdemokratisch gedisst, noch die direkteste Umsetzung von bspw. Deleuze´ und Guattari´s Forderung auf das "Recht eines jeden zur Benutzung der Produktionsmittel in einer geselligen Wunschgesellschaft." Will nach Katja Diefenbach heissen: extensivster Gebrauch der Maschinen durch die grösstmögliche Zahl von Menschen.11
Man sollte das Speicherplatz Schnorren zum Ideal erheben, die Multiusernutzung sollte selbstverständlich sein - hat denn der Familien - oder WG Haushalt mehr als 1 bis 2 Fernseher - und die Wiederverwertung ebenfalls. Heath Bunting, durchaus Künstler im traditionellen Sinne, hat beispielsweise bei dem von Cathrin mitorganisierten Metaforum in Budapest seine Gänge durch London vorgestellt, wo er alte und vor allem gar nicht mal so alte PCs oder Teile aus den Müllcontainern irgendwelcher Firmen zieht - massenhaft. Und damit, das soll nicht unerwähnt bleiben, kann fast alles im Internet und sogar im www gemacht werden, denn jede Seite ist erstmal ein Text, auch die Hintergrundfarbe, und bislang noch gilt der kleinste gemeinsame Nenner: das man auch auf einem 486, 386 oder so die Seiten zumindest annähernd erkennen können muss, weil sonst kein Markt.
Low Tech rules!
1 Tom Le Claire, Crossing Hemispheres: The Names
2 Katja Diefenbach, Wunschlos unglücklich, in: Geld*Beat*Synthetik, Berlin 1996
3 Tom Le Claire, Crossing Hemispheres: The Names
4 Tom Le Claire, Crossing Hemispheres: The Names
5 A.Mattelaart, Le monde diplomatique No?, 1995 und zit. in: F.Zeyfang, Glocalize your Scheiss, Beitrag für radio TM, in: A.N.Y.P.7, 1996
6 Freiwillig zuschreiben, in: Im Zentrum der Peripherie, Leipzig 1995
7 siehe dazu Paul Garrin, http://namespace.com...?
8 Interview m. RG in Nettime Mailinglist, Archiv bei http://desk.nl zu finden
9 s. a. Perfekte Sprache, in F.Zeyfang, Computer for the rest of us, A.N.Y.P. 6, Berlin / München 1994
10 Don DeLillo, The Names, 1982/83, London
11 a.a.o. in: Geld*Beat*Synthetik, Berlin 1996