von Jo Schmeiser


Kemal Kayankaya, 'türkischer' Privatdetektiv mit deutschem Pass aus Jakob Arjounis Roman "Ein Mann, ein Mord" recherchiert gerade einen Fall. Im Auftrag von Herrn Weidenbusch sucht er Sri Dao Rakdee, die in Deutschland während eines Deals, der ihr zu legalem unbegrenzten Aufenthalt daselbst verhelfen hätte sollen, verschwunden ist:

»Also Sie wissen nur, dass sie hier Ende Dezember angekommen ist?«
»Wieso Dezember? Juni.«
»Juni?« Ich zählte an den Fingern ab. Das macht neun Monate. Ein normales Visum dauert drei. (...) »...war das Visum durchgehend oder alle drei Monate verlängert?«
»Zweimal verlängert.« (...)
»Mhm.« Ich trat die Zigarette aus. Durch ein geschwungenes L von ðHeil HitlerÐ gewahrte ich einen Polizisten, wie er interessiert um meinen Opel herumspazierte. Der Wagen stand mit laufendem Motor in zweiter Spur.
»Dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Stempel waren falsch, oder ihre Freundin hat dem Ausländeramt die Heirat mit einem Deutschen in Aussicht gestellt.«
»Aber ich sage doch, der Pass lag bei Köberle.«
»Ja, das sagten Sie.«
Der Polizist beugte sich, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, durchs offene Fahrerfenster.
»Genauso wie Sie heute morgen sagten, eine Heirat zwischen ihnen sei ausgeschlossen gewesen. Warum eigentlich?«
Während Weidenbusch an einer Antwort knabberte, kam die grüne Mütze zum Vorschein und drehte sich auf Tätersuche in alle Richtungen. Dann lösten sich die Hände hinter dem Rücken, zogen Block und Stift aus der Umhängetasche und machten sich daran, einen Freund-und-Helfer-Zettel auszustellen.
»Sich wollte ja, aber als ich ihr den Vorschlag machte, hat sie nur den Kopf geschüttelt. Später wurde sie sogar wütend. Es hat wohl mit ihrer Kultur zu tun.«
Dass alle Leute ausserhalb Mitteleuropas für ihre Handlungen keine Gründe, sondern Kultur haben sollen. Ich sah den Beamten an meiner TÜV-Plakette reiben.
»Okay, sobald ich was Neues habe, melde ich mich.« (...)
Bevor er etwas erwidern konnte, hatte ich den Hörer auf die Gabel geworfen und rannte über die Strasse.
»Okay, okay! Bin wieder da! Sie können das Ding wegschmeissen.«
Der Beamte, im Begriff, den Zettel hinter den Scheibenwischer zu klemmen, sah überrascht auf.
»Bitte?«
»Ich fahr schon weg. Musste kurz telefonieren.«
»Na und? Halten auf der Fahrspur ist verboten.«
Damit plazierte er den Zettel endgültig, richtete sich auf und schob die Mütze zurecht.
»Im übrigen sollten Sie sich einen anderen Ton angewöhnen, junger Mann.«
»Mit meinen Angestellten rede ich, wie ich will.«
Während er verständnislos blinzelte, zog ich die Wagentür auf.
»Das muss man sich mal vorstellen: ich zahle Ihnen Gehalt, damit Sie mir Strafzettel verpassen und mit dem Erlös andere bezahlt werden können, die mir auch wieder Strafzettel verpassen, und so weiter. Die Polizei is für mich also 'n völliges Minusgeschäft. Trotzdem zahle ich jedes Jahr Steuern, damit Sie 'ne Wohnung haben, Ihren Kindern Schulbücher kaufen und ins Kino gehen können. Überlegen Sie mal, würden Sie jemand ernähren, der Sie ständig in 'n Arsch tritt?«
Er betrachtete mich als hätte ich keine Tasse im Schrank, hätte nie eine drin gehabt und würde nie eine rein bekommen. Ich deutete über die Türrahmen auf seine Brust.
»Sehen Sie, aber ich tu's. Da wär's doch mal Zeit für 'ne versöhnliche Geste, und Sie nehmen den Strafzettel zurück?«
Keine Reaktion. Unverändert, ein Auge leicht zugekniffen, die Stirn gerunzelt, stand er vor mir und schien meine Frage nicht gehört oder verstanden zu haben.
»Sach, vergessen Sie's!«
Ich setzte mich ins Auto und lehnte aus dem Fenster.
»Klamotten vom Staat, in der Sonne faulenzen und Leute ärgern in bestimmten Kreisen nennt man so was ðarbeitsscheuÐ.«
Zehn Minuten später parkte ich den Wagen gegenüber vom Ausländeramt, warf die Tür zu und rupfte wütend den Strafzettel vom Scheibenwischer. (S 38-41)

Migrationspolitik/en
"Ausländer[Innen]-Gesetze" und Asylbedingungen in-bzw. außerhalb Europas

Zur Struktur: Das Heft soll verschiedene Aspekte des Themas fokussieren. Diese sind zwar nicht zu trennen, doch ist m. E. für die Analyse und Diskussion spezifischer Zusammenhänge eine vorläufige Trennung in einzelne Komponenten durchaus sinnvoll. Im folgenden Arbeitspapier werden daher 4 Komponenten des Themas näher ausgeführt. Sie sind jedoch weniger als Vorgaben, denn als Vorschläge gedacht - als eine Art Ausgangsbasis, die ermöglichen soll, einzelne Fragestellungen aufzugreifen, miteinander zu verknüpfen oder um weitere zu ergänzen.

1.Staat/Politik/Gesetze
(Analysen staatlicher und suprastaatlicher Migrationspolitiken, Asylbedingungen und ihrer Effekte: A, BRD, EU, Schengen, US/MEX; Produktion von Migrationen durch ökonomische Interessen, das Zusammenwirken von Kapitalismus und den im deutschsprachigen Raum nach wie vor fest verankerten völkischen Dispositiven, die unterschiedlichen Konzepte auf denen das "Staatsbürgerrecht" sich gründet; Drittstaatenregelung, Verschärfung bzw. Verunmöglichung des Asylrechts durch Schnellverfahren an der Grenze; Schubhaft; Integration zwischen positiv besetzter Notwendigkeit und subtil funktionierendem Ausgrenzungsverfahren; Zuzugsquoten; Familienzusammenführung; Zugang von MigrantInnen zum Arbeitsmarkt, Analyse der spezifischen Situation von Migrantinnen als aufgrund ihrer Herkunft und ihres Geschlechts diskriminierte; Kritik / Debatte des Ausschlusses von MigrantInnen von Planung, Aushandlung, Beschluss und Vollzug all dieser Regelungen)

2. Sozialarbeit/Flüchtlingshilfe/Politische Arbeit
(Kritik klassischer Sozialarbeit, deren nicht intentionale Komplizenschaft mit restriktiven Politiken; Darstellung "alternativer" Ansätze; Vergleich staatlicher Einrichtungen mit nicht-staatlichen; Sozialarbeit als Dienstleistung, die den Staat entlastet?: Repräsentation nicht-staatlicher Organisationen, die konkrete Arbeit mit politischen Forderungen an den Staat verbinden; Status und Rolle von MigrantInnen in diesen Organisationen)

3.Kulturbereich/Wissenschaft/künstlerische und filmische Produktion
(Strukturelle Diskriminierungen im Bereich von Ausbildung, Produktion und Präsentation; das spezifische Zusammenwirken von Rassismen und Sexismen, die Basis auf der dieses begründet ist; Repräsentation migrantischer und ethnisierter Positionen auf der Planungs-, Entscheidungs- und Produktionsebene; die Problematik des "StellvertreterInnenwesens": StaatsbürgerInnen sprechen für MigrantInnen; Möglichkeiten und Probleme politischen Engagements mittels kultureller Produktion; Koalitionen kultureller ProduzentInnen, selbstorganisierter MigrantInnengruppen und linker autonomer Gruppierungen?: unter welchen Bedingungen sind solche möglich)

4. Medialer Bereich/öffentlicher Diskurs/öffentlicher Raum: Begriffe, Darstellungen, Erzählungen
(Wie wird das Thema in den Medien verhandelt: "Säuberungsdiskurs", "Innere Sicherheit", "Ausländerfeindlichkeit", die Metapher der "Überflutung"; welche Gegendarstellungen bzw. Gegenstrategien gibt es; wie beeinflussen sich Realpolitik und öffentlicher Diskurs wechselseitig; Gegenüberstellung von Zahlen und Fakten mit den Repräsentationen in den Massenmedien; Kritik an der Fragmentierung von Informationen zum Thema; Kritik der durch Spiel-, Experimental-, oder Dokumentarfilm und der durch künstlerische Produktionen erzeugten "anderen(?)" Bilder zum Thema; die Auswirkungen restriktiver Politiken in öffentlichen Räumen: bauliche Eingriffe, Kriminalisierung und Verdrängung von Individuen und Gruppen; Angriff auf die systematische Unsichtbarmachung und Zerschlagung politisierter migrantischer bzw. ethnisierter Zusammenhänge durch die mediale Reduktion auf "Einzelschicksaale": durch Opferdarstellung ebenso wie durch Kriminalisierung)

Einige Gedanken vorab:
In Hinblick auf ein notwendiges strategisches Vorgehen, das die institutionalisierte Gewalt gegen MigrantInnen seitens des Staates/der Gesellschaft bekämpfen will, erfordert die Auseinandersetzung mit diesem Themenkomplex, im Heft auf allen Ebenen mit "Umkehrungen" zu arbeiten. D h. mit Gegendefinitionen und Verschiebungen der Begriffe, in denen er beschrieben, wie auch der Kontexte, in denen er verortet wird. Denn die Entscheidung, was unter den Begriff "Migration" zu fassen ist und was nicht, ist bereits in bestimmte Interessen verstrickt, ob die SprecherInnen sich nun intentional auf diese beziehen oder ihnen nicht-intentional das Wort reden, und nicht Resultat von (objektiven) Gegebenheiten oder (individuellen) Optionen. Zudem ist immer nach den Positionen zu fragen, von denen ein solches Sprechen bzw. Handeln ausgeht.

"Es ist die scheinbar neutrale Basis definitorischer Normierung, welche auf dem Umweg über das 'Abweichende' beständig das dominante Selbstverständnis reguliert. Der 'neutrale' Standort bestimmt sich über jene Elemente, die als 'normal' vorausgesetzt werden: in der deutschen Gesellschaft bedeutet das z. B. die Anerkennung eurozentrischer Kulturwerte, die Zugehörigkeit zum Sozialsystem, die weisse Hautfarbe, sprachliche und soziale Kompetenzen, den Besitz der Staatsbürgerschaft und der bürgerlichen Rechte. Die chronische Diskussion über jene, denen diese Privilegien verwehrt bleiben, vermeidet jedoch die Auseinandersetzung mit dieser dominanten Auffassung des 'Normalen', durch die Ausgrenzungsmechanismen immer wieder aufs Neue in Gang gesetzt werden." (Hito Steyerl, "Eliminatorischer Exotismus. Besserweissi: fuck off", in: Zweite Hilfe, Frühjahr '97, S 38.)

Ein zentraler Fokus des Hefts ist daher die Mehrheitsgesellschaft, deren Rassismus in seinen offensichtlichen Formen ebenso wie in seinen subtileren Ausprägungen analysiert werden soll. Gleichzeitig soll die Repräsentation von/Zusammenarbeit mit MigrantInnen in der Konzeptions-, Entscheidungs- und Produktionsphase des Hefts in einer Weise forciert werden, die diese nicht erneut zu Objekten "majoritärer Bevormundung" (Hito Steyerl) macht, oder an sie antirassistische Arbeit delegiert, was einmal mehr dazu dient, das majoritäre Selbstbild außer Frage zu stellen und dadurch zu stärken. Wie sind "assymetrische Bezeichnungspraxen" (Mona Singer) zu unterwandern, in denen die Bezeichnenden sich selbst nicht als etwas Meßbares einbringen, wie die Bezeichneten, sondern als der Maßstab schlechthin, der dann als nichts mehr zu messendes erscheint?

"Well, sure enough, women are different from men, who themselves are not different; men differ from nothing. At most, a highly subversive mind might go so far as to think that men and women differ among themselves. But this audacity is lost in the ocean of the real difference, that solid and powerful characteristics which marks a certain number of groups. Blacks are different (whites simply are); Chinese are different (Europeans are); women are different (men are). We are different (...) We are always 'more' or 'less'. And we are never the term of reference (...) The dominant group, as the great Standard, could not ask for anything better than we should be different. What the dominant group cannot stand, on the contrary, is similiarity, our similarity. They cannot stand that we have, that we want, the same right to food, to independence, to autonomy, to life, and that we take these rights or try to take them." (Colette Guillaumin, "Racism, Sexism, Power and Ideology", S 222-23, zit. nach: Mona Singer, "Fremde und Moderne. Universalismus versus Differenz".)

Was sind "Migrationsbewegungen", bzw. was wird gemeinhin (reduktiv) unter solchen verstanden? In den Diskursen der Mehrheitsgesellschaft meint dieser Begriff meist ausschliesslich die Einwanderung in westliche, hochindustrialisierte Staaten. Und dies gilt für offizielle Politik und Massenmedien ebenso wie für sogenannte reflektierte, gesellschaftskritische Diskussionen der Thematik im Kunst- u. Theoriefeld, die oft trotz des Anspruchs auf politische Veränderung ihre Beteiligung an der Fortschreibung des status quo konsequent ausblenden: So kritisiert Olu Oguibe etwa die von Peter Weibel kuratierte Ausstellung "Inclusion: Exclusion", bzw. das Symposium "Art in the Age of Postcolonialism and Global Migration", das parallel zur Ausstellung veranstaltet wurde, folgendermassen:

"One is left no alternative but to assume a certain racial determinancy in the curator's understanding of migration which makes it possible to remember and designate the movement of Africans and Eastern Europeans into Western Europe as migration, but ignore the mass movement of Caucasians to the Americas and the South Seas. The implication here being that the movement of the Caucasian is an exercise of natural right quite distinct from the potentially denigrating and disenabling designation of migration. For the European there are no boundaries, no borders, and where there are no borders there is no migration; no trespass. Migration therefore, is a trait of the 'other' only, the fate of those for whom borders are made."
(aus: TZK Nr. 25, 1997, S 183)

Anknüpfend an diese Kritik des Eurozentrismus, wie u. a. von Weibel (s Aktivitäten) reproduziert, wäre ein erster Schritt die "Umkehrung" der Richtung von Migration: sie im Heft zum einen als "grenzenlose" Wanderung von west-europäischem und US-amerikanischem Kapital an ökonomisch weniger entwickelte", sprich auf den zweiten bzw. dritten Platz verwiesene Orte zu definieren und als solche zu untersuchen. Wie funktionieren ökonomische, politische und soziale Assymetrien - zwischen Staaten, und auch innerhalb eines Staates, einer Stadt, einem Viertel, einem Betrieb, einer Wohnung, einer Beziehung? Zum zweiten, unter dem Begriff Migration" auch westlichen Tourismus (Personen und Güter) an diese Orte zu fassen und dessen Effekte zu analysieren, wie u. a. Victor Martínez vorschlägt (siehe Kathrin Wildners Konzept). Und sich zum dritten kritisch mit jener "freiwilligen" Migration (Kathrin Wildner) auseinanderzusetzen, die westliche ProduzentInnen des künstlerischen und theoretischen Feldes (z. B. unter dem Begriff der "künstlerischen Nomadologie") für sich zu verbuchen verstanden und verstehen. Welche Bedeutungen produziert die künstlerische Selbstbehauptung oder -bezeichnung als MigrantInnen /MigrationsexpertInnen durch KünstlerInnen bzw. TheoretikerInnen der Dominanzgesellschaften? Was bewirkt ein solches, unter dem Aspekt der Vereinnahmung der politischen Situation und Artikulation von MigrantInnen und Flüchtlingen in Europa oder den USA problematisches Konzept in westlichen Gesellschaften, die zunehmend repressiver gegen AsylwerberInnen, MigrantInnen und Minderheiten vorgehen?

Die erste Komponente: Staat / Politik / Gesetze
Hier geht es zuallererst um die Vermittlung von Information zum Thema: Wie sieht die (staatlich durch Gesetze regulierte) Situation in einzelnen Staaten aus, welche Zusammenhänge werden aufgrund welcher Interessen (ökonomische, politische, etc.) in der öffentlichen Diskussion ausgeblendet? Wie entstehen Migrationsbewegungen?

Nach Saskia Sassen ist Migration keine individuelle Entscheidung, die Einzelne aufgrund von Arbeitslosigkeit, stagnierendem Wirtschaftswachstum im Heimatland, oder dem Mythos vom "goldenen Westen" treffen. Migrationsbewegungen sind vielmehr Produkte bestimmter ökonomischer Konstellationen, die von jenen Industriestaaten, in die immigriert wird, in den Ländern, aus denen Menschen emigrieren, geschaffen wurden und werden. Direkte Investitionen oder die Niederlassung westlicher Konzerne stellen Verbindungen zu den hochindustrialisierten Staaten her und legen so die Basis für Migrationsbewegungen in diese Kapitalströme in ihren unterschiedlichsten Formen sind aber weniger Ursachen für Migration, sie sind vielmehr als Struktur zu betrachten, die erst die Bedingungen dafür schafft, daß Migration von vielen als reale Möglichkeit wahrgenommen wird. (Siehe dazu Saskia Sassen, "The Mobility of Labor and Capital", 1988.)

Wie funktioniert nun diese Struktur? Was ist die ökonomische Funktion diskriminierender Praktiken in einem globalisierten kapitalistischen System? Welche Zusammenhänge bestehen zwischen (globalen) wirtschaftlichen Faktoren und (lokalen) gesellschaftlich etablierten, rassistischen, sexistischen, heterosexistischen und klassistischen Normen? Welche Modelle des Widerstandes gegen diese sind unter welchen Bedingungen zu entwickeln, welche Modelle einer "Gegenökonomie" sind denkbar?

Zweitens sollen hier die jeweiligen spezifischen "Regelungen" des rechtlichen Status, der Lebens- und Arbeitsbedingungen von MigrantInnen in verschiedenen Staaten (bzw. Staatenbünden) unter dem Gesichtspunkt der Geschichte und Tradition dieser Staaten analysiert werden. Parallel dazu soll daran gearbeitet werden, auf verschiedenen Ebenen Handlungen gegen die (legalen und illegalen) rassistischen Praktiken von Staat und Gesellschaft zu setzen und auch breitere Öffentlichkeiten jenseits akademischer Zirkel zu mobilisieren.

Ein Weg dahin wäre, Information zu/von Gruppierungen, Einrichtungen und Projekte/n, die oft in visuellen und textuellen Analysen fehlen. Im Heft ist diese jedoch immer unter Berücksichtigung der Prozesse zu dokumentieren, die sie als sichtbare" oder unsichtbare", als wissenswerte" oder belanglose" Information konstituieren, als auch unter Berücksichtigung der Akteure, die diese Prozesse dominieren oder von ihnen ausgeschlossen sind. Ein weiterer wäre das Herstellen von Schnittpunkten zwischen unterschiedlichen Wissens- und Produktionsfeldern, in denen diesbezügliche Arbeit stattfindet -die Aufhebung disziplinärer Trennungen nicht, wie allgemein üblich, um der majoritären Elitenbildung willen, als vielmehr um Koalitionen zwischen Personen und Gruppierungen minoritärer und majoritärer gesellschaftlicher Verortung/Positionierung bilden zu können, die auf gesellschaftliche Veränderungen zielen.

Drittens sollen hier aufgrund ihres Entstehungskontextes (wie z.B. 68er Bewegung, Feminismus) positiv besetzte Theorie- und Praxisformen politischer Artikulation (Forderungen, Konzepte, Modelle, Argumentationsweisen) auf ihre systemkonforme Rolle untersucht werden und veränderten gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Bedingungen entsprechend weiterentwickelt bzw. neu definiert werden. Wie z.B. sind Integrationsmassnahmen und Quotenregelungen voranzutreiben, ohne damit einem "tendenzielle[n] Übergang von Zwangsmassnahmen zu konsensuellen und integrativen Konzepten"(Susanne Schultz) zu entsprechen, der offene Gewalt gegen MigrantInnen und Minderheiten auf die schwerer angreifbare Ebene sozial(staatlich)er Kontrolle übersetzt und diese unter dem Etikett "humanistischer" oder "multikulturalistischer" Konzepte gesellschaftlich etabliert und normalisiert?

"Repräsentation der Arbeit von Anwälten, die AsylwerberInnen und MigrantInnen vertreten; Vergleich staatlicher u. nichtstaatlicher Organisationen über Interviews; Position von MigrantInnen der sg. 2 Generation in diesen Organisationen; Diskussion "alternativer" Modelle (wie etwa der Frage danach, wie solidarische Fluchthilfe als antikapitalistische zu organisieren wäre); Analyse und Kritik des von der österr. Regierung kürzlich verabschiedeten "neuen Integrationspakets"

Die zweite Komponente: Sozialarbeit/Flüchtlingshilfe/Politische Arbeit
Hier soll es darum gehen, sozialarbeiterische Tätigkeit in einer Gegenüberstellung staatlicher, selbstorganisierter linker und migrantischer Gruppierungen zu repräsentieren, sowie deren politische Positionierung auch in Bezug auf ihre staatlichen Verfasstheit zu diskutieren.

Ausgangspunkt ist die Frage, wieweit die repressive Politik des Staates durch Sozialarbeit legitimiert und unfreiwillig mitgetragen wird. Am Bsp. Schubhaft etwa zeigt sich, dass SozialarbeiterInnen darauf beschränkt werden, jenen Flüchtlingen zu helfen, die nach Abschiebung in ihr Herkunftsland vom Tod bedroht sind. Für Flüchtlinge hingegen, deren akute Bedrohung im Fall ihrer Abschiebung sich nicht eindeutig nachweisen lässt, bzw. die aus Armuts- oder anderen Gründen flüchteten, können sie faktisch nur noch eine "Verbesserung der Haftbedingungen" erreichen. Aus dieser Position lässt sich Schubhaft generell kaum mehr in Frage stellen, was letzen Endes die restriktive Politik des Gesetzgebers bestätigt und legitimiert. Was ist dem entgegenzusetzen? Welche Strategien sind zu entwickeln, ohne als Dienstleistungsunternehmen zu fungieren, das einerseits dem Staat soziale Verantwortung abnimmt und ihm Ausgaben erspart, bzw. andererseits infolge konkret zu leistender Arbeit keine politischen Forderungen mehr stellen, sprich staatliche Politik nicht mehr wirksam bekämpfen kann?
Inwieweit können Gesellschaftskritik und politische Praxis der Gefahr entgehen, dem Staat als innovatives Instrument zur Fragmentierung, Vereinnahmung und "Befriedung" jeglichen Protestpotentials zu dienen? Vehemente Kritik an der ambivalenten Rolle staatlicher Einrichtungen, die einer von MigrantInnengruppen der sg. 2. Generation getragenen Bewegung vorausgreifen, diese vereinnahmen und so letzten Endes soziale Konflikte "befrieden", übt u. a. die feministische Migrantinnengruppierung FeMigra. Am Beispiel des AMKA (Amt für multikulturelle Angelegenheiten) in Frankfurt/M zeigen sie, wie im Zuge einer "weiterentwickelte[n] Integrationspolitik", die sich liberal und tolerant gibt, MigrantInnen weiter in statischen Kulturkonzepten gehalten [werden] und eine von ihnen selbst getragene emanzipatorische Interessenspolitik verhindert [wird]". (aus Genderkiller, 1994, S 56-57)

»Ausgehend von einer solchen Kritik, wäre ein Vergleich zur Arbeit österreichischer Einrichtungen zu ziehen, wie etwa der des Wiener Integrationsfonds. Darüberhinaus wären speziell in Österreich die Effekte staatlichen Einflusses in kulturellen und sozialen Bereichen kritisch zu befragen, der aufgrund des österreichischen Zentralismus und der Macht der Sozialpartnerschaft eine weit dominantere Rolle spielt als in der BRD.«

Zudem steht hier generell zur Debatte, inwieweit (und unter welchen Bedingungen) MigrantInnen an der Arbeit staatlicher -, selbstorganisierter linker - und schliesslich an der Arbeit feministischer Gruppierungen beteiligt werden, in welcher Form dies geschieht bzw. geschehen könnte. Vor allem feministische Migrantinnen(gruppierungen) haben mehrfach auf die Ausschlussmechanismen und hierarchischen Strukturen hingewiesen, von denen (auch) linke und feministische Kontexte geprägt sind. In vielen Projekten fungieren MigrantInnen, so sie überhaupt einbezogen werden, lediglich als "Betreungsobjekte" oder als "ExpertInnen", nicht aber als gleichberechtigt handlungsfähige Subjekte. Die Entscheidung zur Selbstorganisierung als Migrantinnen (verstanden als konzeptioneller Begriff, der ihre politische Strategie bezeichnet), schreibt FeMigra dazu, war durch ihre Erfahrungen in (feministischen und gemischt geschlechtlichen) linken Zusammenhängen motiviert, in denen sie einerseits als "Fachfrauen und-Männer in Sachen Rassismus" funktionalisiert wurden, während ihnen andererseits "Sentimentalität und emotionale Betroffenheit" unterstellt wurde, was ihre politische Artikulation lächerlich machte und weiter entmündigte:

"Unseres Erachtens haben weite Teile der Linken es lange Zeit nicht für nötig befunden, die Kontinuitäten der deutschen Geschichte [das gleiche gilt für die österreichische, auch in den weiteren Nennungen dieses Zitats, J. S.] im Umgang mit Minderheiten, wie sie sich etwa im Gastarbeiterkonzept oder in der Asylpolitik zeigen, zum Schwerpunkt ihres Widerstandes zu machen. Bis Ende der 80er Jahre wurde auch innerhalb gesellschaftskritischer Kreise Rassismus in der BRD meist nur im Zusammenhang mit Antisemitismus wahrgenommen. Die ausschliessliche Verortung des Rassismus in der NS-Zeit und das Ausblenden der Kolonialgeschichte Deutschlands bewirkten und bewirken ein Verdrängen der Kontinuitäten und somit der Opfer rassistischer Diskriminierung in der Vergangenheit wie in der Gegenwart. Wenn von rassistischen Strukturen die Rede war, ging es in der Regel um die USA, Grossbritannien oder Südafrika; die Ausgrenzungs- und Diskriminierungspraktiken gegenüber EinwanderInnen, Flüchtlingen und Schwarzer Menschen hier bezeichnete man dagegen eher als Ausländerfeindlichkeit oder Fremdenhass. So gab es für viele in der BRD lediglich die 'Gastarbeiterproblematik' oder im Pädagogikbereich die 'defizitären Ausländer'. Entsprechend waren für diese Leute MigrantInnen auch als politische Subjekte, die gegen die rassistische Diskriminierung in diesem Land Widerstand leisteten, nicht existent." (Aus: "Genderkiller", 1994, S 50-51.)

Auch Annita Kalpaka unterstreicht die Problematik einer Perspektive des Antirassismus als "etwas, das für die anderen, für die 'armen Ausländer' gemacht wird", die sehr "schnell zur paternalistischen, sozialarbeiterischen Haltung [gerät]" und folgert daraus die Notwendigkeit, antirassitische Perspektiven in die jeweils eigenen Arbeits-, Lebens- und Politikbereiche einzubauen, sie zu einem zentralen Faktor feministischer Praxis zu machen. Dies ist, wie Kalpaka zeigt, jedoch kein leichtes Unterfangen. So berichtet sie von einer Veranstaltung mit dem Titel "Rassismus als Thema für Feministinnen", in der sie für eine rechtliche Gleichstellung von EinwanderInnen als notwendige Voraussetzung für gesellschaftliche Veränderung argumentierte:

"Diese Aussage stiess auf Kritik seitens sich als radikalfeministisch definierender Frauen, die in einer solchen Gleichstellung eine Stärkung des 'türkischen Patriarchats' in der BRD sehen. Es wurde argumentiert, die geforderte Gleichstellung die mit der Gewährung des Wahlrechts und der Verfestigung des aufenthaltsrechtlichen Status dieser 'Machos' einherginge, stärkte deren Position. 'Solche Männer' würden dann aus besseren Positionen heraus ihre Frauen weiterhin unterdrücken können, sie womöglich zum Verschleiern zwingen und - was nicht explizit gesagt wurde, aber doch anklang - vielleicht auch eines Tages deutsche Frauen verschleiern wollen (Š) Das hiesige Patriarchat schneidet wieder mal gut ab. Jener Staat, dem feministische Frauen das Recht und die Kompetenz absprechen, über sie, über ihren Körper, ihre Gebärfähigkeit etc. zu bestimmen, gegen den sie explizit kämpfen, erscheint in diesem Fall als willkommener Verbündeter; er soll eingreifen, Rechte verweigern, abschieben, um feministische Positionen und Errungenschaften zu garantieren (wenn wir schon 'unsere' Männer nicht abschieben können, dann wenigstens die fremden)." (Aus: "Frauen zwischen Grenzen", 1994, S 43-44.)

Wie diese Analysen feministischer Migrantinnen zeigen, wird das assymetrische Machtverhältnis, das zwischen VertreterInnen der Dominanzgesellschaften und MigrantInnen besteht, sowohl von Personen bzw. Gruppierungen, die sich zu der politischen Linken zählen, als auch von weissen Feministinnen nur selten reflektiert. Wie eine linke Perspektive nicht automatisch antisexistisch ist, so ist auch eine feministische nicht automatisch antirassistisch. Diskriminierungen nehmen verschiedenste Formen an, ergänzen einander und manifestieren sich auf struktureller, inhaltlicher und ästhetischer Ebene. Die Frage ist nun, wie aus majoritärer Position eine antirassistische Politik zu machen ist, die MigrantInnen nicht erneut zu Objekten macht oder sie dadurch bevormundet und diskriminiert, dass ihre Partizipation auf bestimmte Tätigkeitsfelder, Themenbereiche oder Positionen reduziert wird. (Dass für eine solche Politik die Repräsentation migrantischer Positionen auf allen Ebenen Grundvoraussetzung ist, sei hier nochmals betont.) Und in weiterer Konsequenz wäre zu fragen, was für ein Sprechen und Handeln aus dem Wissen um die (bzw. der Reflexion der) privilegierte(n), majoritäre(n) Position entwickelt werden kann, das diese strategisch einzusetzen ermöglicht &endash; in Hinblick auf ein Erzeugen breiter Öffentlichkeiten für migrantische und feministische Positionen / Forderungen, sowie auf Formen des Widerstands gegen die rassistischen und sexistischen Politiken von Staat und Gesellschaft.

"Giving, conceived as an act of charity, degrades the one who offers as much as the one who receives; because of this it must strip itself of all mystification and present itself here as a simple ex-change (not as a pressure tactic or self-valorization). The poor 'earn' through work everything given to them, even if the amount of their 'payment' can't be measured by a fixed standard and sometimes remains symbolic. For most Third World countries, the importance of such an argument is irrefutable. What can one say about nations, about charitable or benevolent organizations that, without ever questioning the act of giving and receiving, believe grossly and materially that they are giving/helping (a visible action) at the very moment when they are taking/despoiling (an invisible action)? Man has a right to act, maintains Gandhi. It is the 'giver' who should thank the 'acceptor', notes a Zen monk (Seisetsu). The 'true' gift is innocent; for, as the Tao-te-king warns, Goodness is not eloquence". (Trinh T. Minh-ha, When The Moon Waxes Red", S 183.)

Es geht hier darum, Sozialarbeit / politische Arbeit einer konstruktiven kritischen Diskussion zu unterziehen, Strategien zur Überwindung der (systemkonformen) Abgrenzungen zwischen einzelnen, minoritären wie majoritären Gruppierungen zu erarbeiten, und so Verbindungen herzustellen, die gemeinsame politische Handlungsfähigkeit gegen rechte Politiken, repressive Gesetzgebung und rassistische Praktiken zu erzeugen vermögen. Keinesfalls aber sollen einzelne Gruppierungen aus (privilegierter akademischer Schreibtischperspektive doziert, diskreditiert oder gegeneinander ausgespielt werden.

"roundtext unter selbstorganisierten MigrantInnengruppierungen (Hito Steyerl wollte dies koordinieren)

"ein Gespräch mit LEFÖ (Lateinamerikanische Exilierte Frauen in Österreich), María Christina Boidi hat im letzten Heft an der Übersetzung des Interviews mit Ximena Bedregal mitgewirkt.

"jemand vom Wiener Integrationsfonds (staatlich) interviewen, (über die Zeitschrift Mosaik besteht ein Kontakt zu Ljubomir Bratic)

"jemand vom EKH, die gegen die Abschiebung von MigrantInnen aktiv sind, interviewen, oder eigene Texte linker Gruppierungen, (Tina Leisch könnte ev. dazu was zu machen; siehe auch ihren Beitrag im letzten Heft)

"siehe Antke Engels Vorschläge für Beiträge

"siehe Jochen Beckers Vorschläge für Beiträge

Die dritte Komponente: Kulturbereich/Wissenschaft/künstlerische und filmische Produktion
Hier soll aus einer feministischen Position, die die Ausschlussmechanismen, über die sie konstituiert ist, thematisiert und ihnen entgegenarbeitet, untersucht werden, wie Rassismen im Kultur- und Bildungsbereich funktionieren.

Wie hängen Rassismen und Sexismen zusammen? Und wie ergänzt bzw. affirmiert kulturelle Produktion (entgegen wohlmeinender Absichten) den staatlich legitimierten Rassismus und Sexismus "unserer" Gesellschaft? Wie ist eine Vereinnahmung bzw. ein Funktionieren der eigenen (künstlerischen und theoretischen) Arbeit als legitimatorischer Diskurs zu verhindern? Welche Konsequenzen sind aus dem Wissen um die Ambivalenz der eigenen (majoritären) Positioniertheit im Engagement für gesellschaftliche Veränderung zu ziehen? Wie können Koalitionen zwischen minoritären und majoritären Positionen hergestellt werden, und welche Strategien sind zu entwickeln, die den Rassismus von Staat und Gesellschaft in seinen unterschiedlichsten Ausprägungen wirksam zu bekämpfen vermögen?

Auch im Kunst- und Wissenschaftsbereich sind migrantische oder ethnisierte Positionen kaum repräsentiert. Auch hier werden MigrantInnen 'un/sichtbar' gemacht, indem sie zu Forschungsobjekten degradiert, als "ExpertInnen" vereinnahmt oder oft sogar ungeachtet des konkreten Gegenstands ihrer theoretischen, künstlerischen und filmischen Arbeit unter der thematischen Rubrik 'Migration' oder 'Rassismus' subsumiert werden.


"The game, allowing the Other an apparent aura, can be very misleading. (Š) Participation never goes without a certain vigilance. What is given in the context of power relations and its systems of dependence is likely to be taken back according to where the wind blows. Flies meet death in sweet honey (Vietnamese proverb). Even and especially when an other is being privileged, she is constantly and subtly reminded of the favor she enjoys, and as I have stated elsewhere, of her status as 'foreign workers,' 'migrants,' and 'permanent sojourners.' Moreover she cannot speak and participate in the production of theories of resistance without bearing in mind she is among those who have been provided with the opportunity to speak her condition. The postcolonial other is here caught in the regime of visibility as deployed by the West in a wide range of humanistic and anti-humanistic discourses to conserve its leading position as Subject of knowledge." (Trinh T. Minh-ha, "When The Moon Waxes Red", S 186)

In diesem Zusammenhang ist auch eine Herangehensweise engagierter Projekte zu kritisieren, die unter dem Begriff der MigrantInnen ausschliesslich Flüchtlinge, AyslwerberInnen oder Illegalisierte fasst. Denn zum einen ignoriert dies migrantische Positionen im unmittelbaren Umfeld Majoritärer und verunmöglicht so eine notwendige Auseinandersetzung mit den Ausschlussmechanismen, auf denen ihr Arbeitskontext gründet. Zum anderen 'illegalisiert' eine solche reduktive Zuschreibung all jene, die hier geboren und / oder aufgewachsen sind auf symbolischer Ebene, verweist sie trotz Staatsbürgerschaft diskursiv wieder auf den Status "unerwünschter" EinwanderInnen zurück. Durch eine derartige Komplizenschaft symbolischer und realer Politik wird letzten Endes auch jenes 'weisse Bild' einer Gesellschaft re/konstituiert, das alltägliche rassistische Diskurse so gerne als Realität (be)zeichnen &endash; ein 'Bild', in dem Migrantinnen der zweiten Generation nicht zu existieren scheinen.

Eine Auseinandersetzung mit den Rassismen der Mehrheitsgesellschaft beginnt bei der Frage, wo und wie der eigene (kulturelle) Kontext, die eigene (humanistische) Haltung, die eigene (privilegierte) Position und das eigene (gesellschaftskritische) Engagement Teil dieser Rassismen ist. Doch setzt auch ein reines Postulat des Wissens um die majoritäre gesellschaftliche Positioniertheit oder eine Analyse derselben Ausschlussmechanismen noch nichts entgegen. Im Gegenteil: jedes monologische Sprechen und sei es ein noch so reflektiertes, schreibt diese implizit fort und bleibt so eine weitere Akkumulationsgeste majoritärer Macht. Daher besteht die Notwendigkeit, Formen der Zusammenarbeit minoritärer und majoritärer ProduzentInnen jenseits von Festschreibungen auf ein bestimmtes Thema oder Tätigkeitsfeld zu entwickeln. Neben der Repräsentation von MigrantInnen und Ethnisierten in der Planungs- Entscheidungs- und Produktionsphase von Projekten als Grundvoraussetzung, verlangt eine solche Zusammenarbeit jedoch auch eine Reflexion und Neudefinition der Mittel dieser Repräsentation: die Arbeit an einem Sprechen bzw. Handeln, das nicht implizit diskriminierende Diskurse wiederholt oder sich als Legitimationsdiskurs repressiver Politiken instrumentalisieren lässt.

"In unserer Praxis löst diese Frage regelmässig die grösste Bestürzung hervor: Wie? Ihr wollt uns nicht so verstehen, wie wir es für richtig halten? Als könnte man nicht verstehen, dass die Regel für den Einen und den Anderen andere Konsequenzen meint. Anders gesprochen: wenn im Befehl immer mitschwingt, doch in der Norm zu denken, die einen ausschliesst. Die Sprache scheint an diesem Punkt zu reissen. Sie ist keineswegs die leere Grundlage neutraler Kommunikation und äquivalenten Sinntauschs, wie das schleunigst wiederbelebte Argument lautet, das man zu diesem Zweck aus der Mottenkiste universalistischer Aufklärung herbeizitiert. Im Gegenteil: gerade in dieser Situation erweist sich, dass Kriterien des Verstehens und Missverstehens von Sprache von einer in ihr wirkenden Technik der Herrschaft abhängen. Diese Technik wirkt im Verhältnis zwischen Feststellung und Einstellung oder auch (Š) zwischen dem Erkennen und Verkennen. Der Akt der Verweigerung gegenüber einem dominanten System der Sinnstiftung ist eine Desertation aus einem Sinnverbund, der seine internen Kommandostrukturen nicht hinterfragt." (Dies entgegnete Hito Steyerl, als ich mich bezugnehmend auf ihre Kritik an einer ersten Fassung dieses Konzepts auf ein "Missverständnis" berief.)

In weiterer Konsequenz sind schliesslich allgemeine Forderungen zu formulieren, die den Staat/die Gesellschaft adressieren, und Öffentlichkeiten für diese zu schaffen.

Wie eine antirassistische Arbeit aus feministischer Position aussehen soll, dafür gibt es, so denke ich, kein Rezept. Denn wenn Strategien politisch Wirkung zeigen und längerfristig zu gesellschaftlicher Veränderung führen sollen, so müssen sie Situations- oder Kontextspezifisch entwickelt werden, aber trotzdem in Bewegung bleiben: So ist selbst das Einnehmen keiner Stellvertreterinnenposition nicht in jedem Fall unproblematisch, da es in bestimmten Zusammenhängen als ein absolut gesetztes nur-noch-für-sich-Sprechen der systemkonformen Individualisierung politischer Forderungen Vorschub leistet und damit auch der Fragmentierung von Personen und Gruppen, die diese gemeinsam artikulieren könnten. Dass aber jedes Einnehmen von Stellvertreterinnenpositionen mit den zu Vertretenden diskutiert, entschieden, sowie in seiner Problematik thematisiert werden muss, sei hier nochmals betont. Antirassistische Arbeit ist somit als ein unabschliessbarer Prozess zu sehen, deren Bedingungen im Zuge der Auseinandersetzung minoritärer und majoritärer Positionen von Projekt zu Projekt neu zu verhandeln und zu definieren ist.

Die vierte Komponente: Medialer Bereich/öffentlicher Diskurs/öffentlicher Raum: Begriffe, Darstellungen, Erzählungen
(Dieser Teil ist noch nicht fertig, daher vorerst nur die Zusammenfassung, und ein Zitat, das ich besonders mag:)

Hier soll es darum gehen, die Repräsentation des Themas in den Masenmedien, sowie in den Bereichen zeitgenössischer künstlerischer und filmischer Produktion einer kritischen Diskussion zu unterziehen. Zum einen soll untersucht werden, wie bestimmte Darstellungsformen und Erzählweisen der Legitimation restriktiver Politiken dienen können. Zum anderen sollen ausgehend von diesen Analysen (minoritärerseits und majoritärerseits) Repräsentationspolitiken entworfen werden, die den systemkonformen Bildern und Narrationen von Medienberichten, Filmen bzw. künstlerischen Arbeiten auf struktureller, inhaltlicher sowie auf ästhetisch/rhetorischer Ebene entgegentreten.

"A responsible work today seems to me above all to be one that shows, on the one hand, a political commitment and an ideological ludicity, and is, on the other hand interrogative by nature, instead of being merely prescriptive. In other words, a work that involves her story in history; a work that acknowledges the difference between lived experience and representation; a work that is careful not to turn a struggle into an object of consumption, and requires that responsibility be assumed by the maker as well as by the audience, without whose participation no solution emerges, for no solution exists as a given." (Trinh T. Minh-ha, "When The Moon Waxes Red", S 149.)

Mein besonderer Dank gilt Hito Steyerl und Susanne Lummerding, ohne deren Kritik an einer ersten Fassung viele Gedanken und Überlegungen in diesem Arbeitspapier nicht hätten formuliert werden können. Weiters danke ich Antke Engel, Jochen Becker und Kathrin Wildner für kritische Diskussionen sowie Mona Singer und Martin Urschitz für wichtige Hinweise.

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