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Digitale Städte'
und ihre realen Effekte
von Jochen Becker
Wie wird Globalisierung' dargestellt? Welche Folgen hat der
weltweite" Handel? Und was bedeutet Digitalisierung für
die Stadtentwicklung? Ich möchte hierzu einen
Fernsehspot der zur New Yorker Finanzgruppe Citicorp
gehörenden Citibank Privatkunden AG, Düsseldorf,
heranziehen. Die Citibank ist zuletzt vielen Zugreisenden
bekannt geworden, hat sie doch den Alleinvertrag für
die Kreditkartenfunktion der BahnCard, und somit
schlagartigen Zuwachs an KundInnen bzw. Zugriff auf deren
Daten und Konsummuster.
Sprecher: Eine Welt - ein Konto. Das internationale
Girokonto der Citibank bietet Ihnen unbegrenzte
Möglichkeiten. Sie können bei der Citibank rund um
den Globus Ihren Kontostand abrufen, weltweit Bargeld
abheben - und das Beste: es geht bequem auf deutsch. Also:
Machen Sie die Welt zu Ihrem Girokonto."
Schrifttafel: THE CITI NEVER SLEEPS. CITIBANK. Infos:
0180.33 22 111
Die als globale Finanzdienstleisterin firmierende Citibank
gab einen Fernsehspot in Auftrag, in dem sich neben einer
Illustration der Globalisierung' zahlreiche Merkmale
digitaler Städte finden. Unter Digitale Städte'
möchte ich die sich auf Stadtmodelle berufenden
Computernetzwerke ebenso fassen wie die Herausbildung von
Global Cities, von neuen Randzonen und Ausgeschlossenen als
realer Effekt der Telematik, also der Verknüpfung von
Computern und Datennetzen.
Was läßt sich an 30 Sekunden Werbung
ablesen?
Die auf das Privatkundengeschäft spezialisierte
Citibank stellt sich mittels der bildschirmfüllenden
Erdkugel als Global Player vor. Ihre Handelsware Geld - so
signalisiert sie den fernreisenden ZuschauerInnen - sei dank
Telematik rund um die Uhr und rund um den Globus
verfügbar. Diese Global Players operieren weltweit" und
decken dabei lokale Märkte ab. Der Spot symbolisiert
dies mit wechselnd aufgesetzten und vorrangig männlich
konotierten Kopfbedeckungen: ein Cowboyhut für die USA,
ein Strohhut für Südostasien, ein Bowler für
Großbritannien, eine gefaltete Papiermütze aus
europäischen Geldscheinen für Europa, ein
Trachtenhut für den deutschsprachigen Raum. Es gibt
also keinen Hut für den afrikanischen Kontinent, weder
für Australien noch für die Polarregionen, und
auch weite Teile Asiens oder Amerikas finden keinerlei
Repräsentation. Hier über liegt wie beim Globus
eine Wolkendecke: Weltweit" heißt nicht überall,
sondern nur an ökonomisch verwertbaren Orten.
Firmenname und Slogan nutzen wie selbstverständlich die
Business-Sprache Englisch. Doch die Finanzprodukte werden -
vergleichbar etwa der Computersoftware - für die
jeweiligen Märkte lokalisiert': Geldabheben ist
weltweit" in der Nationalsprache (bequem auf deutsch")
möglich, so wie die von us-amerikanischen
ProgrammiererInnen gefertigtes Software Microsoft Word 5.1'
mit mir über die Funktion Aktive Hilfe" in einen
automatisierten deutschsprachigen Dialog' treten kann.
Interessant zu erfahren wäre sowohl bei Microsoft wie
auch Citibank, welche Sprachen und Dialekte nicht
akzeptiert" werden.
Die Kreditkarte, welche im Spot aus dem Globus wie aus einem
Geldautomaten nach Eingabe der Geheimnummer und Geldbetrag
wieder herausfährt, fungiert hierbei als Ausweis
für das Entré zur Geschäfts-Welt. Banken
und Sparkassen sind in der Bundesrepublik keineswegs
verpflichtet, jeder Person ein Konto einzurichten. Die
Bankkarte scheidet also inliquide - Kunden und solche, die
zum Bankomat keinen Zugang erhalten.
Die im Fernsehspot genutzten icons Globus, Slogans und Logo
signalisieren durch ihre Abstraktheit Abstand zum Realen.
Aus dem All herab - so als wäre das Kamera-Auge in
einem Kommunikations- oder Überwachungssatellit
installiert - senkt sich der Film-Blick auf die Welt. Diese
erinnert in ihrer blau-weiß-braungrünen
Farbigkeit mehr an klar definierte Landkarten denn an das
symbolisch Vertretene wie Wasser, Erde, Pflanzen, Wolken.
Städte oder Lebewesen, Soziales und Konkretes hat auf
dieser Welt keinen Platz. Statt verortbarer Adresse firmiert
die Citibank in einem virtuellen' Call Center mit der
deutschlandweiten Einheitsvorwahl 0180. Diese Call Centers
im Irgendwo der Gewerbegebiete oder unscheinbaren
Bürokomplexe werden von Leichtlohngruppen' (Jobber,
StudentInnen, Halbzeitkräfte) bedient, die im
Unterschied zu klassischen Bankangestellten deutlich unter
Tarif bezahlt werden. Sie halten die Hot Line als
24-Stunden-Service-7-Tage-die-Woche aufrecht. Diese Stadt"
mit ihren deregulierten Arbeitszeiten und/oder
Automatisierung kennt keine Ruhezeiten, denn: The CITI never
sleeps".1
Der in ihrer Werbung immer wiederkehrende Slogan stammt
meines Wissens aus Frank Sinatras New York, New York'-Hymne,
wobei die Metropole als The city, that never sleeps"
gekennzeichnet wird. Während die klassischen
Angestellten ihren Bürodienst zu den immer noch
üblichen Bürozeiten zwischen 8.00 und 17.00
ableisten, sind es zumeist farbige ArbeiterInnen, die
zwischen 17.00 und 8.00 die Läden aufrechterhalten oder
mit Reinigungsgeräten durch die Etagen ziehen.2 Doch an
sie denkt bei Stichwort Wall Street' kaum jemand, wird doch
die Finanzindustrie medial weiterhin durch White Collar,
postmoderne Lobbies oder eine Serie von Computermonitoren
repräsentiert.
Digitale CITIes
Die City buchstabiert sich für den Finanzdienstleister
als CITI: Stadt ist nur mehr ein korporatives Produkt.
Meines Wissens entwickelte die Citibank/Citicorp für
den Neubau ihrer New Yorker Zentrale erstmalig eine per
Gesetz erzwungene, quasiöffentliche Foyerzone in die
Sockelzone ihres Citicorp Center'. Das baumbestandene und
natürlich beleuchtbare Atrium war ein Zugeständnis
an die City Plannings Commission', welche als Ausgleich
für überbauten öffentlichen Raum solche
innerräumlichen Fußgänger-Zonen zur Auflage
machte. Großzügig darf man hier auch seine
mitgebrachten Pausenbrote verzehren; ansonsten erinnert der
von Geschäften und Restaurants umfaßte Hof eher
an eine aufgeputzte Shopping Mall.
Im folgenden will ich im schnellen Durchlauf weitere
Digitale Städte - existent im Rechner, aber genauso
durch den Rechner - vorstellen:
Telepolis (neue
Siedlungsformen, Medienverbund)
InfoCity NRW
(Metropolitan Area Network, Privatisierung)
Global
Cities/Capitales Fatales (Stärkung weniger
Machtknoten)
Randstadt
(geographische wie sozialräumliche
Peripherie)
Widerstand: Gegen
die Tyrranei der Globalisierung'
Dabei wird auch
spürbar, wie weit Telekommunikation und
Elektronisierung in die konkrete Stadtentwicklung
eingedrungen sind.
Telepolis, Luxemburg
Die Luxemburger Veranstaltung Telepolis über
interaktive und vernetzte Städte' hatte nicht nur die
neuen Städteformationen sowohl im Netz als auch real
zum Thema, sondern war selbst ein Symptom dieser globalen
Vernetzung" mit umhertourenden Rednern, KünstlerInnen,
Geschäftsleuten, KritikerInnen, Beobachtern und
ÜbersetzerInnen.3
Die Telepolis' lag fernab auf dem Messe- und
Kongreßgelände, angesiedelt auf dem
Kirchberg-Plateau zwischen EU-Institutionen, technoiden
Hotels mit rustikalen Bars, festungsartig ausgebauten
deutschen Banken für
Vermögenssteuerflüchtige, dem silbrigen Glaspalast
der RTL-Dachgesellschaft CLT und einem noch im Bau
befindlichen Stadtteilzentrums gleich neben dem
künftigen Autobahnknoten. Hinter benachbarten
Hügelketten landeten die Jets der per Fax und e-mail
geladenen Redner aus Berlin und New York, München und
Tokyo, während sich vor der Tür der
Besucherparkplatz füllte.
Der Eingangsbereich der Telepolis'-Messe über
interaktive und vernetzte Städte - Deutschlands Beitrag
zu Luxemburg, Kulturstadt Europas 95' im November letzten
Jahres - war von Ständen der Deutschen und Luxemburger
Telekom eingekeilt, dahinter stapelten sich auf dem
Büchertisch Publikationen über Non-Print-Medien.
Hier standen ein bildschirmgestützter Werbestand
für Bur das Focus, die gutfrequentierte Bar einer
spürbar unterversorgten Oase im vorstädtischen
Aus, und ein mobiler Geldautomat. Im kojenartig
organisierten Ausstellungsbereich traf man auf weitgehend
spielerische Medienkunst von der elektronischen
Bildergalerie bis zum per kollektiver Internet-Kontrolle
auszubrütenden Ei. Dazwischen hatten das Burda-Netzwerk
Europe Online' neben Ständen für ASTRA-Satelliten
und CLT-Multi-Media ebenfalls Platz gefunden; zudem warb die
Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung mbH
mit elektronischen Laufmappen" für die
Bundesdatenautobahn Bonn-Berlin.
Neben dem Luxemburger Goethe-Institut (die deutsche
Kultur-Botschaft), diversen gelisteten Siemens-Abteilungen
und dem Münchner Medienlabor hatte die Burda Akademie
zum Dritten Jahrtausend' als think tank des Münchner
Medienunternehmens zur Eröffnungstagung über Die
Zukunft der Städte im Zeichen von Cyberspace' geladen:
Sollte doch von hier aus Burdas neuer Netzdienst Europe
Online' - inzwischen mit zweistelligen Millionenverlusten
wieder eingestellt - starten. Verleger Hubert Burda rief
seine launige Begrüßungsworte gegen einen Schwall
aus Rückkopplungsgeräuschen direkt in den Saal und
wischte herrisch einen zurhilfeeilende Assistenten weg,
während im Hintergrund ratlose Techniker herumirrten.
Hier zeigte sich aufs schönste, wie sich unter dem
neuen Label Telepolis' europäischer Medienverbund,
Hardware-Industrie, Techno-Kunst-Hype,
Computerjungs-Business, die fortschreitende
vorstädtische Zersiedlung oder eine enge Verbundenheit
von data-traffic und realem Verkehrsaufkommen konkret
formieren.
InfoCity NRW
"Unsere digitale Stadt: Die InfoCity NRW. Vebacom stellt die
Architektur und Infrastruktur der elektronischen Stadt. Wir
bauen eine elektronische Autobahn, die viele Städte in
NRW miteinander verbindet." (CeBit96-Broschüre
Vebacom)
Das Pilotprojekt 'InfoCity NRW', eine strategische Allianz
von privaten Medien-, Computer-, Telekommunikations- und
Softwareunternehmen, bezeichnet sich als "ein
europäisches Projekt für das 21. Jahrhundert". Der
backbone des Metropolitan Area Network bildet ein 220
Kilometer Kernring zu den Großstädten an Rhein
und Ruhr und wird von Vebacom, Düsseldorf - Tochter der
VEBA AG, das viertgrößten deutsche Unternehmen -
vorangetrieben. Insgesamt liegen entlang der Bahnstrecken
2900 Kilometer Glasfaser, um 1998 auf 3900 Kilometer
ausgeweitet zu werden. 500 Unternehmen, über 20
Universitäten und ebensoviele Forschungseinrichtungen,
Kliniken, Behörden, Bibliotheken und auch 8 - 15.000
Haushalte sollen - letztere über Kabelfernsehnetze -
angeschlossen werden. Insgesamt 36 Studiostandorte der ARD
werden miteinander verbunden; der WDR Köln hätte
dann direkten Zugriff auf sein Filmarchiv in
Düsseldorf. Die drei Geschäftsbereichen
Basisdienste, Dienste für private Nutzer und Dienste
für professionelle Nutzer markieren, daß
(kommerzieller) Anschluß, nicht (soziale, informelle)
Verbindung im Vordergrund steht.
"Die Infobahn InfoCity NRW verbindet die Städte von
Europas wichtigster Mega-Metropole, der Urbanisation an
Rhein und Ruhr" und bildet so "das neue
Rhein&Ruhrgebiet". Die verwaltungstechnisch und auch vom
Zungenschlag her zwiegespaltene Region soll als
Mega-Metropole via 'InfoCity' neu formiert und urbanisiert
werden; der ehemalige Rostgürtel von Ablegern der alten
Industrie (Stahl, Chemie, Kohle, Strom, Eisenbahn) mittels
neuer Allianzen zum "offenen Bauplatz ["der
Informationsgesellschaft"] für das 21. Jahrhundert"
umstrukturiert werden. Denn: "NRW ist Europas wichtigste
Wirtschaftsregion, ... die dichteste Infrastruktur- und
Kulturregion und die potenteste wie innovativste
Wirtschaftslandschaft der Europäischen Union."
Hierfür sind Anschlüsse an die Niederlande und
Luxemburg mit der Option auf einen "gesamteuropäischen
Pilotversuch" vorgesehen.
Global Cities / Capitales Fatales - Fatale
Hauptstädte des Kapitals
Noch vor dem 2. Weltkrieg existierten in der Schweiz kaum
Auslandsbanken; inzwischen haben viele Institute sich in der
Schweiz, und in letzter Zeit fast ausschließlich in
Zürich konzentriert, sodaß die
Städtekonkurrenz nicht mehr innerschweizerisch, sondern
global verläuft.
Geld wird in digitaler Form blitzschnell transportabel und
paßte in die Datenleitungen einer zunehmend
spekulierenden und weniger investierenden Finanzbranche, die
sich in und zwischen New York, Tokyo, Zürich und
Frankfurt/Main angesiedelt hat. Die von der New Yorker
Stadtplanungsforscherin Saskia Sassen entwickelte Global
City-Theorie4 verzeichnet die "neue Geographien der
Investition", welche sich innerhalb von zwei Jahrzehnten
durch Hochtechnologie (Computer), Vernetzung (Satellit,
Funktelefon, Glasfaser-Kabel, Datenautobahn),
Verkehrsinfrastruktur (Autobahnen, Schnellbahnen, Flug- und
Containerschiffshäfen) bis hin zu Tourismus und Kultur
(Euro-Disney) herausgebildet haben.
Im Zuge der geographische Verlagerung von Produktion,
Verwaltung, Forschung & Entwicklung etc. und je nach
Maßgabe von Kosten, Subventionen und Recourcen
(Fachkräfte, Rohstoff, Kapital) strukturierte sich die
Konzernwelt massiv um. Eine transnational operierende
kapitalistische Klasse sucht so nicht zuletzt die national
orientierten Gewerkschaften, Behörden und Parlamente
sowie zumeist sich regional bildende soziale Bewegungen
auszuhebeln.
Bezeichnungen wie Deregulierung, Neue Internationale
Arbeitsteilung, Outsourcing, Subcontracting, Strategische
Allianzen, flexible Akkumulation oder Städtewettbewerb
wären ohne die - elektronisch verstärkten -
Netzwerke nicht möglich. William J. Mitchell
veranschaulicht in 'City of Bits' die 'Internationale
Arbeitsteilung' "from Silicon Valley to Singapore" mit der
Herstellung seines Laptops, auf dem er eben dies gerade
schrieb. Aber auch die Steuerung, Entwicklung und
Vermarktung solcher Produkte ist nur mehr mittels Datennetze
möglich.
Saskia Sassen erinnert im kürzlich erschienenen
Sammelband 'Capitales Fatales'5, daß sich trotz dieser
räumlichen Zerstreuung der Produktion weithin kapitale
Zentralitäten heranbilden: Zwar findet die Forschung,
Entwicklung und Produktion etwa von Laptops immer
stärker auf dem Globus verstreut statt, doch die
Knotenpunkte der Steuerung sind schon allein wegen des
technischen Aufwands und der Komplexität der Aufgaben
auf wenige Welt-Städte konzentriert. Die Konzerne sind
zunehmend auf Kernstädte von Metropolen angewiesen, da
sich nur dort hochbezahlte Dienstleister, Anwälte und
Fachkräfte finden, die wiederum den direkten Austausch,
die Repräsentanz der Adresse und Angebote für
Luxuskonsum und Hochkultur suchen, welche nur eine
Großstadt bietet. Nahegelegene Lokalitäten
für Geschäftsessen, um Vertrauensverhältnisse
aufzubauen, oder der Aktionsradius von Fahrrad-Kurieren
bestimmen nicht unmaßgeblich die
Central-Business-Districts. Und hier werden zuerst die
schnellsten Datenleitungen gelegt: So wird Berlin vorerst
nur zwischen KuDamm und Alexanderplatz mit
Hochleistungs-Glasfaser verkabelt.
Randstadt
Wer wird zu den neuen Online-Regionen gehören, und wer
bleibt im Durchzugsgebiet der
Hochgeschwindigkeits-Transportinfrastruktur sozusagen als
"Kommunikaionskorridor" (Sassen) auf der Strecke? Schon das
ebenfalls zu Nordrhein-Westfalen gehörende, eher
dünnbesiedelte Münsterland bleibt bei der InfoCity
NRW außen vor; ebenso Osteuropa, für deren
Metropolen "sich diese Vernetzung später ebenfalls
ergeben" wird.
"Der herrschende Diskurs über Globalisierung ist ein
Ausschießungsdiskurs." (Saskia Sassen)
Die Grenzlinie, welche per legistativer, ökonomischer
und medialer Definitionsmacht in den Kategorien 'KundInnen',
'Humankapital', 'Legale' getroffen werden, zieht sich zum
einen zwischen den Global Cities und dem Rest der Welt. Die
Metropolen des digitalisierten Finanzkapitals stehen
untereinander in Konkurrzenz und grenzen sich vom
infrastrukturell weniger versorgten Rest ab. So gibt es in
Manhattan - immerhin ja nur ein Stadtteil von New York City
- laut dem südafrikanischen Vizepräsidenten Thabo
Mbeki mehr Telefonleitungen als in Afrika südlich der
Sahara.6 "Gebiete ohne Anschluß [an Autobahnen,
Schnellbahnen, Glasfaserkabel] verkommen zu urbanen
Peripherie", so die Mitherausgeber Hitz/Schmid/Wolff in
'Capitales Fatales', wobei die neue Randständigkeit
nicht allein im globalen Maßstab ("Dritte Welt") oder
regional (zentraleuropäische Wirtschaftszone 'Blaue
Banane' <-> Mecklenburg-Vorpommern), sondern zunehmend
auch sozialräumlich zu verstehen ist und sich bis in
die Kernstädte hinein und hindurch zieht. Diese
Spaltung betrifft ebenso ihre so exorbitant unterschiedlich
honorierten DienstleisterInnen-Bereiche. Je nach
Zugehörigkeit im Dienstleistungssektor ist Arbeitszeit
und zugestandener Aufenthaltsort, öffentliche
Repräsentation und Bezahlung zwischen
'WissenarbeiterInnen' und 'DienstbotInnen' deutlich
polarisiert. Kategorien, die bislang 'erste' und 'dritte
Welt' zu trennen schienen, finden sich nunmehr in den Global
Cities selbst.
Sassen kritisiert die Abwertung und "Ausblendung des ganzen
Spektrums von Tätigkeiten und
Beschäftigungsgruppen aus dem Diskurs der
Globalisierung, die ein ebenso integraler Bestandteil dieses
Prozesses sind wie das internationale Finanzkapital". Zum
einen bleiben dabei Sektretärinnen und Fahrer,
Copyshop-Betreiber und Köche unerwähnt. Zum
anderen halten sich in der Innenstadt neben den jung-urbanen
Dienstleistern auch MigrantInnen und andere
Niedriglohn-DienstbotInnen bevorzugt auf, da sich nur hier
Untergrundökonomie, Schattenwirtschaft und
24-h-Familienbetriebe rentieren. Die parallele Anwesenheit
der Serviceleistenden wird in den Stadtbetrachtung
häufig ausgeblendete: "Die Tatsache, daß nachts
in diesen Räumen eine ganz andere Abteilung von
Beschäftigten wirkt, ... und dieser Raum von einer
völlig anderen Kultur (manuelle Arbeit, oft Musik,
Essenspausen um Mitternacht) beherrscht wird, bleibt
unsichtbar."
Aufstand gegen die "Tyrranei der Globalisierung"
Ist man dem Global-Maß unausweichlich ausgeliefert?
Ich teile den gestern aus dem Publikum geäußerten
Einwand gegenüber dem Vortrag von Hans G Helms
insofern, als trotz aller Durchsetzungsmacht des
Finanzkapitals auch den entsprechenden Konfliktlinien
nachgegangen werden muß. Denn nicht alles funktioniert
reibungslos. Der von Helms als monolitisch beschriebene
Block mit seinen diversen 'Partnerschaften' läßt
sich zumindest stören, wie die wilden Streiks - auch
gegen den bundesdeutschen Gewerkschaftsapparat und sein
'Bündnis für Arbeit' - oder Sabotageakte
demonstriert haben.
"Der französische Aufstand zeigt, daß der
Internationalismus die Seite gewechselt hat. Früher
eine Waffe in den Händen der Arbeiter, ist er heute zur
Globalisierung mutiert", so Ignacio Ramonet etwas unscharf
in der Januar-Ausgabe von Le Monde diplomatique zur
französischen Streikwelle Ende 1995: Internationale
Solidarität und 'Internationale Arbeitsteilung', wie
sie die Firmen auf der Suche nach willfährigen
Produktionsstätten propagieren, meinen keineswegs das
selbe. Hier wäre ein neu zu definierender
Internationalismus gefragt, der die Konzernperspektive
verläßt und etwa beim Alltag der MigrantInnen
innerhalb der Global Cities ansetzt.7
Während die industrielle Revolution aus Bauern erst
eine Arbeiterschaft formiert hatte, vollzieht sich im Rahmen
eines postfordistischen Umbaus die fortschreitende
Individualisierung der gegeneinander aufgehetzten
ArbeiterInnen im Kampf um "ihren" Standort. Erik Izraelewicz
betitelte deshalb seinen Le Monde-Artikel über die
französischen Dezember-Streiks als "der erste Aufstand
gegen die Globalisierung". Selbst wenn sich dies am Streik
selbst nicht ablesen ließe, und was ich aus der Ferne
nicht beurteilen kann, so ist hierbei immerhin
bemerkenswert, daß zumindest in Frankreich der Zweifel
am 'Global-Maß' ein tragfähiges Streikmotiv
hergibt.
Keine Verbindung e.V.
"Wir haben an mehreren Stellen die unterirdischen
Glasfaserbahnen durchschnitten... [Der
Rhein-Main-Flughafen ist ein] wichtiger Bestandteil der
militärischen Logistik [und hat] seine Funktion
im Rahmen der imperialistischen Weltordnung... Unsere Aktion
ist der Versuch, den glatten Ablauf der Maschinerie zu
stören". Insbesondere galt der Anschlag dem
"Internierungslager", das der Bundesgrenzschutz auf
exteritorialem Gebiet als Außengebäude auf dem
Flughafengelände eingerichtet hat, um MigrantInnen
direkt wieder abzuschieben. Die Zitate stammen aus dem
Schreiben der Attentäter, welches auszugsweise in der
Abendausgabe der Frankfurter Rundschau vom 2.2.95 abgedruckt
war.
Im Zuge des Anschlags auf die Kabelverbindungen zum
Flughafen Rhein-Main erklärte ein Polizeisprecher,
daß "im Frankfurter Untergrund mittlerweile mehrere
tausend Kilometer Kabel für die Telefon- und
Datenkommunikation verlegt" wären. Die Zahl der
Wartungsschächte summiere sich auf mehrere hunderte.
(Frankfurter Rundschau 3.3.95) Am 1.2.95, zwischen 3 und 4
Uhr morgens, wurden an drei Stellen insgesamt sieben
Glasfaser-Kabelbäume - drei Ortsnetzkabel und vier
Fernkabel - in der Umgebung des Frankfurter Flughafens
durchgesägt. Davon betroffen waren der Telefon- und
Datenverkehr des Flughafens, die Lufthansa-Basis, bundesweit
die elektronischen Buchungen der Lufthansa sowie einiger
anderer Fluggesellschaften, die Flughafen-Hotels, alle
Geldautomaten am Flughafen sowie das Frankfurter
Universitätsklinikum. Es kam zu Verspätungen beim
Flugverkehr und Chaos bei den Buchungen. Weiterhin waren die
Ortsnetze der angrenzenden Städte
Mörfelden-Walldorf, Kelsterbach und südwestliche
Stadtteile Frankfurts mit jeweils mehreren tausend
Anschlüssen für mindestens 15 Stunden
unterbrochen. Hinzu kam die Überlastung des noch
verbliebenen Flughafennetzes. Richtfunkstrecken bzw. Handys
oder Fahrdienste überbrückten notdürftig den
Business-Betrieb. Die Deutsche Telekom bescheinigte den
AkteurInnen "Systemkenntnis und massive kriminelle Energie".
8
Globale Netzwerke, die "Schnittstellen der
Informationsgesellschaft" und digitale CITIes sind also
weder 'virtuell' noch unverwundbar.
1 Zwar trifft man in den bundesrepublikanischen
Fußgängerzonen durchaus noch auch auf Filialen
der Citibank. Doch hier standen die ersten Bankautomaten und
Selbstbedienungsapparate in Foyers, welche im Vergleich zum
klassischen Kassenbereichen breiten Raum einnehmen. Zudem
führten Werbekampagnen der Citibank vor Jahren das
Telefon-Banking ein, wobei die Fernsehspots als
Gebrauchsanweisungen für das neue Produkt fungierten.
Bald zogen weitere von klassischen Finanzdienstleistern
abgespaltenen und deregegulierten ' Direkt-' bzw.
'Online-Banken' nach. Während die verbleibenden
Filialen nur mehr ihre Bankomaten im Erdgeschoß
belassen, erfährt besonders lukrative Kundschaft eine
ausführliche Beratung in den oberen Etagen, und die
Verwaltung zieht in billigere Stadtbereiche um. Die
hierdurch von "vorgehaltenem" Personal freigeräumten
Geschäftsräume können anderweitig vermietet
werden.
2 Siehe hierzu Saskia Sassen ' Metropolen des Weltmarkts',
Frankfurt/M 1996
3 Die aus Österreich
stammende Übersetzerin bei 'TechnoFiction' in Weimar
erzählte mir in einer Pause, daß sie auch schon
für 'Telepolis' in Luxemburg tätig war.
4 Siehe hierzu Saskia
Sassen 'The Global City', Princeton/NJ, 1991
5
Hitz/Keil/Lehrer/Ronneberger/Schmid/Wolff (Hg) 'Capitales
Fatales. Urbanisierung und Politik in den Finanzmetropolen
Frankfurt und Zürich', Rotpunktverlag, 1996
6 Rührt daher
vielleicht die Auslassung Afrikas im Citbank-Spot, weil kaum
ein Telefon zur Hand wäre, wollte man auf sein
"internationales Girokonto" auch südlich der Sahara
"bequem auf deutsch" zurückgreifen?
7 So ist der latente
Rassimus, mit dem die Baugewerkschaft etwa gegen
"ausländische" Billigarbeiter in den Baugruben Berlins
argumentiert, nicht nur skandalös, sondern auch falsch.
Agressor sind nicht die Polen und Iren, sondern Firmen und
Subunternehmen, welche sich deregulierte
Lohnverhältnisse zunutze machen.
8 In der Nacht zum 9.7.96
durchtrennte eine Gruppe 'K.A.B.E.L.S.C.H.N.I.T.T.' in der
Nähe des Frankfurter Flughafens an 2 Stellen die
dortigen Glasfaserstrecken. Am 27.9.96 wurde im Frankfurter
Café Exzeß der dreivie' in der Nähe des
Frankfurter Flughafens an 2 Stellen die dortigen
Glasfaserstrecken. Am 27.9.96 wurde im Frankfurter
Café Exzeß der dreiviertelstündiger "Lehr-
und Dokumentarfilm" 'How to get trough' der Gruppierung
'Please hold the line' gezeigt, der die Sabotage als Angriff
gegen die Abschiebepraxis der Bundesrepublik kennzeichnet
und demonstriert, wo der Kabelschnitt vonstatten geht. Die
Veranstaltung wurde durch einen massiven Polizeieinsatz
vorzeitig abgebrochen und die ca. 80 Anwesenden
"erkennungsdienstlich behandelt".
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